Julia Baier. Foto: Birgit Wingrat
Julia Baier. Foto: Birgit Wingrat

1. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?

Mein wachsendes Interesse an der Fotografie fiel ziemlich genau mit dem Weggang aus meiner Heimatstadt und dem Neubeginn in einer anderen Stadt zusammen. In der einen ging etwas zu Ende, in der anderen wartete das Neue.
Es war eine neue Erfahrung, diesen Wechsel mit meiner Kamera zu begleiten. Fotografieren bietet zwei wesentliche Möglichkeiten: Du kannst Bilder und Gefühle konservieren und sie dadurch intensiver in Erinnerung behalten und gleichzeitig fordert es dich heraus, auf das Unbekannte zuzugehen und dich einzulassen. Du schwebst beim Fotografieren also irgendwo zwischen der Vergangenheit und dem was kommt. Dafür liebe ich die Fotografie bis heute.
Parallel habe ich Ausstellungen als Inspiration für mich entdeckt und begann, mir erste Fotobücher zu kaufen. Die Neugier und der Wunsch, in die Fotowelt einzutauchen waren groß. Ich wechselte dann auch schnell von meinem ersten Studium an die Kunsthochschule, um alles noch ernsthafter zu betreiben.

2. Welcher Bereich der Fotografie ist aktuell am wichtigsten für Sie?

Ich habe mich immer schon für die vielseitigen Facetten der Fotografie und ihre fließenden Übergänge interessiert. Das macht sie doch zu so einem spannenden Medium. Ich arbeite sowohl als Fotokünstlerin an eigenen Projekten und beobachte die Ausprägungen und neuen Wege der künstlerischen Fotografie. Genauso intensiv beschäftige ich mich aber auch mit journalistischer Fotografie und bin dem Dokumentarischen gleichermaßen sehr verbunden. Die Mischung macht’s!
Wenn ich die Frage jetzt für diesen Moment beantworten soll, so widme ich mich tendenziell aktuell mehr künstlerischen Fragestellungen und einem Langzeitprojekt – und da wären wir schon bei der nächsten Frage.

3. Welches fotografische Projekt würden Sie in Zukunft gerne umsetzen?

Gerade habe ich mit der systematischen Digitalisierung meines analogen Archives begonnen. Das geht mit den neuen technischen Möglichkeiten wirklich wunderbar, schnell und effektiv. Ich habe wie erwähnt ein großes Langzeitprojekt, welches ich langsam zu einem Abschluss bringen möchte. Dafür sichte ich erneut all die Bilder, die ich in den letzten 20 Jahren zum Thema Badekulturen auf der ganzen Welt  fotografiert habe, weil ich sie zu einem Buch ausarbeiten möchte. Und dafür muss ich noch einmal in die Tiefen meines analogen und dann digitalen Archivs hinabsteigen, um daraus die Essenz zu ziehen.

4. Nennen Sie uns zwei bis drei Fotobücher oder fotografische Arbeiten, die Sie besonders beeindruckt haben.

Eines meiner ersten bedeutenden Fotobücher war das Buch von Diane Arbus - das mit den (fast siamesischen) Zwillingsschwestern auf dem Cover. Ich weiß noch, wie mich diese eindringlichen Porträts nachhaltig beeindruckt haben.
Als zweites Fotobuch fällt mir The Great Unreal von Taiyo Onorato und Nico Krebs (2015)  ein. Als ich damals die Arbeit des Fotokünstler-Paares gesehen habe, war ich fasziniert, wie sie mit analogen Mitteln so künstlerische, subtile und unerwartete Bilder von ihrem Roadtrip durch die USA geschaffen haben.
Und dann hat mich noch das Werk von Nan Goldin in meiner Studienzeit in den 90er-Jahren sehr berührt. Ihr subjektiver Blick und die Ehrlichkeit, so offen und unverstellt ein visuelles Tagebuch aus ihrem Leben zu zeigen – ist unvergleichlich.

5. Welche historische Persönlichkeit der Fotogeschichte hätten Sie gerne kennen gelernt?

Lisette Model, sie war eine tolle Fotografin und muss eine mutige Frau gewesen sein! Immerhin ist sie als eine der Fotopionierinnen in die Geschichte der Street Photography eingegangen. Mit ihr würde ich gern über ihr bewegtes Leben, ihre Erfahrungen als Fotografin und über ihre eindrücklichen Fotos sprechen.
Oder aber den Erfinder Niecéphore Niépce. Ich würde ihn fragen, woher er wusste, dass er das (als erste Fotografie bezeichnete) Bild aus seinem Arbeitszimmer exakt acht Stunden belichten musste und was er während dieser acht Stunden gemacht hat.
Und wenn er noch etwas länger gelebt hätte, wie er wohl mit der Tatsache umgegangen wäre, dass sich der (geschäftstüchtigere) Louis Daguerre in den Vordergrund gedrängt und ihm als dem eigentlichen Erfinder der Fotografie somit unfairerweise die Show gestohlen hatte.

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