Fotogeschichten Kölner Südstadt
Zeitreise durch ein urkölsches Veedel

Der legendäre Photograph Chargesheimer streifte 1955/56 durch die Kölner Südstadt und hielt dort den Alltag, vor allem das Leben der dortigen Bewohner*innen rund um die Severinsstraße fest. Bei Recherchen im Rheinischen Bildarchiv entdeckte Eusebius Wirdeier (DGPh) eher zufällig einen Schatz. Denn dabei fand er Bilder, die bisher noch nie veröffentlicht wurden und tat sich mit dem dort aufgewachsenen Wolfgang Niedecken zusammen. Daraus ist das im Emons-Verlag, Köln, erschienene Buch „Chargesheimer, Niedecken, Wirdeier – Fotogeschichten Kölner Südstadt“ entstanden. 

Im ersten Teil des großformatigen Bandes zeigen die historischen Aufnahmen von Chargesheimer, 1924 in Köln als Karl Heinz Hargesheimer geboren und Ende 1971 unter mysteriösen Umständen gestorben, das rege Treiben zwischen Severinstor und Volksgarten vor etwa 70 Jahren: Den verregneten Weißen Sonntag, das Karnevalstreiben, aber auch vom Krieg zerstörte Häuser, Straßenzüge und den Alltag während der Nachkriegszeit. Die historischen Photographien offenbaren dessen einfühlsame, den ‚kleinen Leuten‘ zugewandte Photographie. Wirdeier schildert in seinem Beitrag unter dem Titel „Tauben, Eiche, Uni“, wie er 2019 im Rheinischen Bildarchiv der Stadt Köln in Chargesheimers Negativen viele Aufnahmen aus der Kölner Südstadt fand. Bei seinen mehrjährigen Sichtungen der nur teilweise digitalisierten Negativbestände wählte er für das Buch insgesamt 82 Bilder des Kölner Photographen aus, von denen 64 noch nie veröffentlicht wurden.

Wolfgang Niedecken, 1951 geboren, ist in dem Kölner Südstadtviertel aufgewachsen und war zu dieser Zeit etwa fünf Jahre alt. Vor dem Lebensmittelgeschäft seines Vaters lernte er laufen, betrieb während seines Kunststudiums sein Atelier nahe dem Chlodwigplatz und hatte Mitte der 1980er Jahre im Chlodwig-Eck einen der ersten Auftritte mit der von ihm gegründeten Band BAP. Niedecken berichtet im zweiten Teil des Buchs in mehreren Kapiteln über seine Kindheit und Jugend zwischen Vringspooz und Rheinauhafen. Dazu tauchte er tief in das in einer Kiste aufbewahrte Bildarchiv der Familie Niedecken ein und beschreibt in sehr persönlichen Worten, unterlegt mit privaten Aufnahmen und handschriftlichen Texten, seine Kindheit in der Kölner Südstadt.

Im dritten Teil des Bandes steuert der Photograph Eusebius Wirdeier neueste Aufnahmen bei, die das heutige Leben in dem Kölner Stadtteil eindrucksvoll zeigen und eine eigene Geschichte des Veedels erzählen. Dabei werden auch schmerzliche Ereignisse, wie der Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 und seine Auswirkungen bis heute, nicht ausgeblendet. Ebenso nimmt Wirdeier die Vielfalt des Viertels mit den verschiedenen Nationalitäten, den unterschiedlichen Formen der Arbeit und der Feste sowie eine ausführliche Schilderung der Erstkommunion in der Kirche St. Severin auf und knüpft damit bewusst an Chargesheimers Bildstrecke an. In einem weiteren Textbeitrag geht Eusebius Wirdeier auf die photographischen Werkzeuge Chargesheimers und deren Wirkung bei dessen Arbeit, seine Arbeitsweise sowie schließlich die Archivierung seines Werkes in Köln ein.

Die historischen Photographien von Chargesheimer, die privaten Bilder und Erinnerungen von Wolfgang Niedecken und die aktuellen Photographien von Eusebius Wirdeier öffnen den Blick auf ein lebendiges Viertel im Herzen der Stadt Köln. Sie sind eine Zeitreise zwischen Wandel und Beständigkeit, Geschichte und Gegenwart, Erinnerungen und neuen Perspektiven. Das Buch ist auch eine Hommage an den Fotografen Chargesheimer zu dessen 100. Geburtstag am 19. Mai 2024. (vZ)

 

Chargesheimer – Niedecken – Wirdeier 
Fotogeschichten Kölner Südstadt
240 Seiten
Format: 27x29,5 cm, Hardcover mit Schutzumschlag
Köln, Emons Verlag
ISBN: 978-3-7408-2008-4;  € 49,95