Anna Jermolaewa. Fotohof Edition 2024
Waren und Menschen auf Märkten

Für die 1970 in St. Petersburg geborene, in Wien lebende Photokünstlerin Anna Jermolaewa ist der Markt ein magischer Ort – Menschen, Gesichter, Hände, alltägliche Waren, neu oder gebraucht, was verkauft wird und was gebraucht wird sind ihre Motive. „Egal, wohin ich reise, ich gehe zuerst auf de Markt, sei es in Wien, Jerewan, Mexiko-Stadt, St. Petersburg oder La Paz“, teilt sie in ihrem kurzen Vorwort zu dem in der Edition Fotohof, Salzburg, mit ihren Photoarbeiten erschienenen Buch mit.

Die 2021 mit dem Otto-Breicha-Preis ausgezeichnete Konzeptkünstlerin bezeichnet sich selbst als „Realistin“. Ihre Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ist ebenso kritisch wie abgründig humorvoll. Oft entwickeln sich ihre photographischen Arbeiten aus der Beobachtung alltäglicher Dinge heraus und sind mit ihrer Biographie verknüpft. Seit 1998 macht Jermolaewa Aufnahmen von Märkten auf aller Welt. 

In seinem Vorwort sieht der Soziologe Max Weber in Märkten „allgemeine Muster des sozialen Handelns“, Mikrokosmen, die für Jermolaewa die Gesellschaft am besten widerspiegeln, während für Harald Krejci vom Museum der Moderne Salzburg Märkte vor allem Brennpunkte des gesellschaftlichen Lebens sind, wo das Ausstellen der Ware, die ökonomischen Mechanismen, aber auch die menschliche Dimension und Schicksale, die sich im Marktleben öffentlich machen, sichtbar werden. 
Kerstin Stremmel weiß, dass in Anna Jermolaewas Werk seit 1998 immer wieder Eindrücke von Orten auftauchen, an denen Waren feilgeboten werden. Sie stellt aber fest, dass ihre Photographien keine kulinarisch-romantischen Bilder sind, die nur Viktualien und Dinge des täglichen Bedarfs sondern auch Haushaltsgegenstände oder Kleidung aus zweiter Hand zeigen und die Photographin dabei ein besonderes Augenmerk auf die Menschen, die Kundschaft und die Händler:innen gerichtet hat.

Das zur gleichnamigen Ausstellung entstandene Buch vereint bis dato unpublizierte Photographien Jermolaewas zu den Themenschwerpunkten „Märkte“ und „Gefundene Objekte“. Zudem enthält es einen Textabschnitt aus dem Video „back to the silk routes“, in dem sie die Schicksale bucharischer Juden erkundet, die aus Usbekistan emigriert sind und auf dem Wiener Naschmarkt ihre Waren verkaufen.

Themen, wie Erinnerung, Entwurzelung und Neubeginn, werden von der Photographin in ihren Bildern unsentimental und detailreich anschaulich gemacht. (vZ)


Anna Jermolaewa
136 Seiten mit 101 Farbabbildungen
Format: 22 × 16.5 cm, Softcover
Sprache: Deutsch, Englisch
Salzburg, Fotohof Edition
ISBN: 978-3-903334-68-7
25,00 €