Ralph Gibsons Kategorien des Sehens
Der 1939 in Los Angeles geborene Ralph Gibson kam über den Militärdienst bei der amerikanischen Marine zur Photographie. Von 1956 an besuchte er die ‚Naval School of Photography‘ in Pensacola. 1961 studierte er noch kurz am San Francisco Art Institute, ging aber schon ein Jahr später als Assistent zu Dorothea Lange. 1969 zog Gibson von der Westküste der USA nach New York, wo er Robert Frank bei dessen Film „Me and My Brother“ zur Seite stand sowie früh sein eigenes Atelier eröffnete. Bald wurde Gibson in einem Atemzug mit Larry Clark und Diane Arbus genannt und erhielt Stipendien des „National Endowment for the Arts“ (NEA) und der Guggenheim-Stiftung. Als gestandener Photograph wurde Ralf Gibson 2002 von der französischen Regierung zum ‚Commandeur de lʼOrdre des Arts et des Lettres‘ ernannt und 2021 in die ‚Leica Hall of Fame‘ aufgenommen.
Akte, Porträts und Stillleben wurden früh die Hauptmotive von Ralph Gibson. Diese gestaltet er vornehmlich in Schwarzweiß, eher selten auch mal in Farbe. Mit seiner sensiblen Bildauffassung - nah heran, graphisch aufgebaut und groß ins Bild gestellt - schafft der Photograph neue Kategorien des Sehens, damit wurde er stilbildend. Der weitgereiste Ralph Gibson arbeitet vor allem in inspirierten Serien, deren Titel die besondere poetische Sensibilität unterstreichen, die sein Werk prägt. Dabei setzt er die von ihm geliebte Kleinbildkamera Leica ein, die zumeist bewusst mit dem 50-mm-Standardobjektiv bestückt ist, weil dessen Bildwinkel in etwa der Normalperspektive des menschlichen Auges entspricht.
Der im Taschen-Verlag, Köln, erschienene, in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler erstellte Bildband „Ralph Gibson – Photographs 1960 – 2024“ präsentiert in insgesamt 21 Kapiteln chronologisch das von dem amerikanischen Photographen in sechs Jahrzehnten des Bildermachens entstandene Schaffen. In jedes führt er kurz mit persönlichen Worten ein. Die Bildserien unterstreichen die besondere poetische Sensibilität, die sein Werk prägt.
Dieses beginnt mit ersten Aufnahmen aus San Francisco, geht über ‚The Somnambulist‘, ‚Déjà-Vu‘, ‚Chiaroscuro‘, ‚Pharaonic Light‘ und endet mit „The Vertical Horizon‘, in dem er zwischen 2019 und 2024 bewusst eine digitale Leica M-Kamera mit 135-mm-Objektiv einsetzte, um eine Idee zu verwirklichen, die auf der natürlichen Verdichtung alles Digitalen gründet. Die einzelnen Kapitel belegen gleichzeitig, dass hinter jedem Bild, hinter jeder Serie eine Philosophie steckt.
Egal, ob Akte, Porträts, Stillleben oder Erzählungen: Seiner Leica treu bleibend bewegt sich Gibson zwischen den Genres und schafft neue Kategorien des Sehens. Er nähert sich den Dingen und lichtet sie auf eine fast meditative Weise ab, wie es nur die Stille des Bildes vermag. Oder, wie die ‚Vogue‘ zu dem Bildband feststellt: „Ein spektakulärer Streifzug durch eine Bildwelt voller rätselhafter Details - manchmal schockierend, manchmal fast unergründlich, aber immer überraschend.“ (vZ)
Ralph Gibson
Photographs 1960 – 2024
552 Seiten
Format: 22x28 cm, Hardcover
Sprache: Englisch, Deutsch, Französisch
Köln, Taschen-Verlag
ISBN: 978-3-7544-0268-9;
60,00 €
Erhältlich über www.taschen.com