Meditations on the Beauty. © Ruth Bernhard
Meditations on the Beauty. © Ruth Bernhard
Eröffnungsdatum
Redner*in
Hans-Michael Koetzle
Photograph*in
Ruth Bernhard
Datum
-
Name der Galerie / Museum / Ausstellungsort
Beschreibung

Ruth Bernhard und ihr Beitrag zur fotografischen Moderne kuratiert von Hans-Michael Koetzle

Die Galerie Susanne Albrecht freut sich, die erste Einzelausstellung der deutsch-jüdischen Fotografin Ruth Bernhard in ihrer Geburtsstadt Berlin zeigen zu können. Die Ausstellung begleitend erscheint ein Katalog als erste deutschsprachige Publikation zu Ruth Bernhard mit ca. 50 s/w-Abbildungen sowie Texten von Michael Kenna und Hans-Michael Koetzle. Gezeigt werden neben Aktaufnahmen auch weniger bekannte Landschaften und Objektstudien aus den Sammlungen von Said Nusebeih und Michael Kenna. Nusabeih war langjähriger Mitarbeiter der Fotografin, Kenna acht Jahre lang ihr Assistent in San Francisco.

Auch wenn Ruth Bernhard in ihrer rund vier Jahrzehnte währenden kreativen Beschäftigung mit der Fotografie viele Themenbereiche ebenso ideenreich erprobt wie sensibel bewältigt hat, bis heute und vor allem in Europa wird sie insbesondere mit dem weiblichen Akt konnotiert. Stillleben im Geist der Neuen Sachlichkeit hat sie aufgenommen, im Auftrag Mode fotografiert, Kinder- und Tierporträts geschaffen, Muscheln oder Schnecken für die Kamera arangiert, Blätter und Blüten in Schwarzweiß erkundet, vor allem Teile von Spielzeugpuppen auf bisweilen surreale Art und Weise arrangiert. Und doch ist es speziell der weibliche Akt, der sie über Jahrzehnte beschäftigt und als immer wieder neue Herausforderung begleitet hat. Kaum zufällig widmet sich die wichtigste, zu Lebzeiten publizierte Monographie – The Eternal Body (1986) – exklusiv dem Thema Akt. Wobei sich Bernhard entschieden von erprobten Mustern distanziert, künstlerisch auf Distanz geht zu dem, was man gern als „männlichen Blick“ bezeichnet. »Men photograph a female nude as if she belonged to them«, hat sie einmal gesagt. „I photograph a woman as part of the universe.“



Ruth Bernhards fotografisches Werk, jedenfalls die Arbeiten im Eigenauftrag und mit künstlerischem Anspruch, entstand zwischen 1935 und 1976. Unübersehbar atmet es den Geist der Neuen Sachlichkeit bzw. den einer Straight Photography, wie ihn vor allem Edward Weston vertreten hatte – mit gelegentlichen Exkursionen ins Experimentelle, darunter insbesondere Mehrfachbelichtungen oder Negativ-Sandwiches. Ohne sich theoretisch zu vergewissern, trug Ruth Bernhard die Idee einer sachorientierten, keineswegs nüchternen, eher den Spirit ihrer „Gegenstände“ sinnlich erfassenden Kamerakunst in eine Zeit, die sich spätestens seit The Family of Man (1955) vorrangig für eine Form der Weltsicht interessierte, die als „humaner Fotojournalismus« in die Geschichte eingegangen ist. Im Grunde repräsentierte Bernhard so etwas wie eine verspätete Avantgarde, was die Qualität ihres OEuvres keinesfalls schmälert, vielmehr ihre Außenseiterrolle bzw. die Eigenständigkeit ihres OEuvres jenseits aller Trends und Moden unterstreicht. Theoretische Äußerungen von Ruth Bernhard gibt es kaum, jedenfalls keine im Sinne einer kritischen Medienreflexion. Bei ihr könnte man eher von einer „philosophy of vision and perception“ sprechen, die über verstreute Aussagen nachvollziehbar wird: „My images reach dimensions words cannot touch“, hat sie einmal betont. Und mit Blick auf den Akt hervorgehoben: “My quest, through the magic of light and shadow, is to isolate, to simplify, and to give emphasis to form with the greatest clarity. To indicate ideal proportion, to reveal sculptural mass and the dominating spirit, is my goal.”

1905 als Tochter des bekannten Plakatkünstlers Lucian Bernhard in Berlin geboren, wuchs Bernhard an der Spree und in Hamburg auf, besuchte ab 1925 die Akademie der Künste in Berlin, bevor sie 1927 ihrem bereits ausgewanderten Vater in die USA folgte. 1935 erhielt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft. Im selben Jahr lernte sie Edward Weston kennen, der ihr lebenslang Freund und Vorbild bleiben sollte. 1936 machte sie sich in Los Angeles als Fotografin selbstständig.

1953 wechselte sie nach San Francisco, wo sie weiterhin ein Studio betrieb, ihre Aktfotografie intensivierte und Workshops gab. Eine erste Ausstellung 1936, aber auch Lob von Alfred Stieglitz bzw. Anerkennung durch Mehemed Fehmy Agha, seinerzeit Art Director der amerikanischen Vogue, bestätigten sie in ihrem künstlerischen Tun. Eine Einladung 1983 zu den Rencontres d’Arles war späte Ehre und markiert den Beginn ihrer Rezeption diesseits des Atlantik. Ruth Berhard starb 2006 in San Francisco, allerdings nicht ohne der Nachwelt mitgeteilt zu haben, wie man zu guten Bildern kommt: „Take one camera with film; add one knowing eye and as much strong feeling as you have available; mix well with a generous portion of your own unique personality; expose to the right light for the exact fraction, and process until beauty appears.”