Hugo Schmölz und Karl Hugo Schmölz
CINEMAS

Hrsg.: Archiv Wim Cox und van der Grinten Galerie, Köln
Mit Texten von Hanns Zischler und Franz van der Grinten in Deutsch und Englisch
Festeinband mit Schutzumschlag, 96 Seiten, Auflage: 1000 Exemplare
Kettler Verlag, 2018
ISBN 9783862067275; 45,- Euro

Vorzugsausgabe mit dem Motiv Europa Palast, Düsseldorf, 1949
35er Auflage in einem Schmuckschuber und beiliegendem Buch für 420,- Euro

Das photographische Werk der Kölner Architekturphotographen Hugo (1879-1938) und Karl Hugo Schmölz (1917-1986) erfährt seit einigen Jahren eine große und bis heute stetig wachsende Anerkennung. Nach seiner Photographenlehre und zahlreichen weiteren Stationen etablierte sich Schmölz Senior ab 1911 als Architekturphotograph in Köln. Später übernahm sein Sohn Karl Hugo die Firma. Das lange in Vergessenheit geratene Werk der beiden Photographen präsentiert sich heute in seiner Ästhetik und technischen Perfektion als atemberaubend eigenständig. Durch die Erfindung einer speziellen, additiven Belichtungstechnik gelang es Schmölz schon Anfang des Jahrhunderts, dunkle Innenräume in bis heute überwältigender Eleganz und Detailgenauigkeit zu dokumentieren. Das Buch versammelt erstmals eine zwischen den Jahren 1935 und 1957 überwiegend im Rheinland und dem Ruhrgebiet entstandene Serie mit Aufnahmen damals neu errichteter Kinosäle. Die heute größtenteils zerstörten Innenräume erscheinen in den vom Licht modellierten Photographien nahezu skulptural, in jedem Fall wenig nostalgisch, sondern der Zeit merkwürdig entrückt und mit ihren feinsten Grauabstufungen fast hyperreal. Schon seit Jahren bemüht sich die van der Grinten Galerie in Köln um das Werk von Hugo und Karl Hugo Schmölz und der Wiederentdeckung ihrer Arbeiten vor allem auch auf dem internationalen Photokunstmarkt. Auf der letzten Paris Photo zeigten sie eine vielfach beachtete und hoch gelobte Ausstellung u.a. die in diesem Buch gezeigten Photographien. th.

 

Jitka Hanzlová
Cotton Rose

Festeinband, 88 Seite mit  46 Abbildungen (Vierfarbdruck)
Text in Englisch
Steidl
ISBN-13: 978-3869301273; 35,- Euro

"2004 wurde Jitka Hanzlová (Otto-Steinert-Preisträgerin) vom EU-Japan Festkommitee eingeladen, an dem Projekt European Eyes on Japan teilzunehmen, das europäische Photographen seit 1999 nach Japan einlädt, um Menschen und das Leben in den verschiedenen Präfekturen des Landes zu photographieren.

Ein Buchset, welches auch einen Band mit Photographien von Stephen Gill enthielt, erschien bereits vor langer Zeit.
Der Einzelband, Cotton Rose, ist das Ergebnis von zwei Jahren in der Präfektur Gifú, wo Hanzlová Städte und Dörfer besuchte, Zeremonien besuchte, Japanisch lernte und sogar mit Tajima-Rindern ins Gespräch kam, um das Land, ländliches Leben und Traditionen kennen zu lernen, bevor sie sich mit den anonymen Menschenmassen in den Städten mischte. Für Jitka Hanzlová war die moderne japanische Kultur ein wichtiger Aspekt und sie konzentrierte sich auf die inhärente Verbindung zwischen den Menschen und ihrer Umgebung in einem Land mit scheinbar extremen Gegensätzen. Die zarte Baumwollrose - eine Pflanze, die sie ganz am Anfang ihres Aufenthalts entdeckte, die trotz aller strenger Winter im Frühjahr wieder auftaucht - symbolisierte für sie die japanische Seele: zerbrechlich und beharrlich zugleich." (freie Übersetzung des Verlagstextes, @Richard G. Sporleder)

 

Giorgio Wolfensberger
Foto Povera

Hrsg.: Margarete Berg, Urs Stahel
Mit Texten von Urs Stahel in Deutsch und Englisch
Softcover, 240 Seiten, 170 Farbabbildungen
Edition Patrick Frey 2019
ISBN: 978-3-906803-79-1; 58,- Euro

Giorgio Wolfensberger, 1945 in Zürich geboren, in Winterthur aufgewachsen und 2016 in seiner geografischen und politischen Wahlheimat Umbrien gestorben, war nicht nur Industriephotograph, Filmer, Spezialist für Diaschauen, Autor und Kenner der Schweizer Ausdruckstänzerin und Tanzlehrerin Suzanne Perrottet, aussergewöhnlicher Spürhund für Photographie in Archiven, sondern insgesamt ein Sammler und Photograph, der mit einem siebten Sinn für die Dinge in der Welt ausgestattet war. Er scheint die Besonderheiten im Alltäglichen, die Abweichungen von der Regel, das Spiel der Gegenstände, das Humorvolle und das Groteske im Lauf der Welt geradezu angezogen zu haben, als seien seine Augen, seine Nase, seine Finger Sonden, die mit der materiellen Wirklichkeit magnetisch verbunden waren. Im Auftrag für ein Ausstellungsprojekt oder ein Buch, beim freien Herumstreunen in der Stadt oder Herumfahren in der Landschaft: Immer entdeckte er das Besondere im Banalen, das Eigene im Allgemeinen, das Reiche im Armen, das Seltsame in der Regel. In diesem Buch versammeln sich zum ersten Mal seine freien, seine künstlerischen Photographien zu einem Panoptikum, einem bunten Kabarett der Dinge. Beginnend mit den schwarzweissen Dokumentarphotographien in seinen ersten Italienjahren entfaltet sich schrittweise eine reichhaltige, humorvolle, farbige "Foto-Povera", ein bezaubernder, nachdenklicher Tanz der „armen“, einfachen Dinge. Urs Stahel

 

Werner Kohn (DGPh)
65 Jahre Fotografie
in Bamberg und anderswo. 1953-2018
mit Texten von Anna Scherbaum und Matthias Scherbaum
Festeinband mit 144 Seiten und 138 Abbildungen
Erich Weiß Verlag
ISBN: 978-3-940821-66-9; 35,-  Euro

65 Jahre photographiert nun Werner Kohn – in Bamberg und weltweit. […] Seine Tätigkeit als Photograph hat ihn in die ganze Welt geführt und wohl auch in der halben Welt bekannt gemacht. Zumindest ziert sein Werk ein Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde für sein Verkehrszeichen-Projekt. Überhaupt zählt Werner Kohn zu den großen Photographen Deutschlands, er hatte zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland und ist seit Jahren dabei, sein umfangreiches Werk in Büchern zu edieren. Seine Themen: Sozialdokumentarische Photographie, Jazz und Musik, Streetphotography, Porträts, Inszenierte Photographie. 1953–2018: Vorliegender Band vereint eine Auswahl vonPhotographien  aus 66 Jahren, jedes Jahr ist durch Photographien vertreten, jeweils aus Bamberg und der näheren Umgebung (HIER) sowie (mit wenigen Ausnahmen) aus der „weiten Welt“ (DORT). Die Bilder sind chronologisch angeordnet und die Auswahl ist subjektiv. Dieser Band will zum Sehen, zum Betrachten, zum Entdecken einladen. Schließlich, so Kohn selbst, liegt alles im Auge des Betrachters, ist alles frei für die Interpretation. „Das ist doch der Sinn der Photographie!“  Anna Scherbaum / Matthias Scherbaum

 

Volker Döhne
Limes

mit Essays von Steffen Siegel (DGPh) und Marcus Trier in Deutsch
Festeinband, 192 Seiten mit 402 Schwarz-Weiß Photographien
Greven Verlag Köln, 2018
ISBN 978-3-7743-0699-8; 28,- Euro

Das Buch »Limes« macht in besonderer Weise einen konzeptuellen künstlerischen Prozess sichtbar, der für einen großen Bereich der zeitgenössischen Photographie charakteristisch ist. Volker Döhne (geb. 1953) verfolgte in den Jahren 1993-94 den Verlauf des niedergermanischen Limes von Bonn bis Xanten (röm. Ausgrabungsareal) mit einer stringenten Bildstruktur. Dabei kombiniert er markante Orte an der Limesstraße mit bis zu 4 anderen Perspektiven von diesem Standort, so dass jeweils der Eindruck eines Flaneurs entsteht, der verweilt und über das Gesehen/Wahrgenommene reflektiert.
Es ist keine dokumentarische Photographie sondern vielmehr eine in photographischen Motiven erzählende - den Betrachter mitnehmende - Photographie, in der die „Aneignung des Raumes“ als Zitat der vielschichtigen Zeitebenen erfolgt. So beginnt seine Ortssuche auch nicht an einem antiken römisch-germanischen Mauerrest sondern am ehemaligen Bundeskanzleramt in Bonn. Dieser Brückenschlag über 2.000 Jahre Herrschaft am Rhein wird sehr subtil über die Einbeziehung der Portraitbüste Konrad Adenauers (1. Bundeskanzler) interpretiert. Die charakteristischen SW Photographien stellen zwischen den sehr heterogenen Orten den Zusammenhang des (Kultur-)Raumes her.
In der Umsetzung des photographischen Buches und damit der Präsentation für weitere Betrachter werden seine Wurzeln in der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher und Tünn Konerding und bei Albert Renger Patzsch (Grundlage der künstlerischen Lehre) deutlich. Das Buch »Limes« greift eine Struktur auf, die Albert Renger-Patzsch für seine Bücher »Bäume« »Gesteine« exemplarisch entwickelt hat. Eine künstlerische photographische Serie tritt im Buch in einen Dialog mit einem sachbezogenen und einem eher philosophischen reflektierenden Text. Für die »Gesteine« sind das ein Essay von Ernst Jünger und die „Morphologie der Erde“ von J.W.v. Goethe.
Döhnes Photographien sind die praktische Anwendung einer als „Promenadologie“ bezeichneten Erkenntnistheorie, die das „Nach- Neben und Miteinander“ also die Struktur von Räumen erkundet. Entlang einer Linie werden Verortungen zueinander in Beziehung (jeweils linke Seite im Buch) gesetzt. Es sind zwei Formen der Wahrnehmung; der generalisierende und der detailreiche Blick des Photographen sind dem ersten Eindruck und dem verweilenden reflektierend analysierende Blick des Flaneurs vergleichbar. Diese divergierende Wahrnehmung und Darstellung von Orten/Räumen entspricht der Darstellung des Vergangenen durch die Analyse der noch existenten Strukturen. In der photographischen Annäherung an historische Orte wird deutlich, dass Kulturräume aus komplexen Schichtungen aus Raum und Zeit bestehen.
Das Buch im Querformat kommt den Abbildungen und der Buchgestaltung zu Gute, und steht mit einer übersichtlichen Typografie, einem gute SW-Druck in der Tradition besonders gestalteter Photographiebücher. Diese gelungene Publikation, die der gezeigten Werkgruppen künstlerisch gerecht wird und den Liebhaber des Photographie-Buches erfreut,  ist ein sehr empfehlenswertes Buch für die Sammler klassischer SW-Photographie. DB

 

David McMillan
Growth and Decay: Pripyat and the Chernobyl Exclusion Zone

Festeinband , 262 Seiten mit 200 Abbildungen
Text in Englisch
Steidl Verlag 2019
ISBN 978-3-95829-397-7; 65,- Euro

Since 1994 David McMillan has journeyed 21 times to the Chernobyl Exclusion Zone. Inspired by his teenage memories of Nevil Shute’s On the Beach (1957), a disturbing vision of the world following nuclear war, McMillan found in Pripyat the embodiment of an irradiated city still standing but void of human life.
As one of the first artists to gain access to “The Zone,” McMillan initially explored the evacuated areas with few constraints and in solitude, save for an occasional scientist monitoring the effects of radioactivity. Returning year after year enabled him to revisit the sites of earlier photographs—sometimes fortuitously, sometimes by design—thereby bearing witness to the inexorable forces of nature as they reclaimed the abandoned communities. At times his unhurried approach to picture making led McMillan to look at unassuming subjects, which gave rise to engrossing compositions. Above all, his commitment has been to probe the relentless dichotomy between growth and decay in The Zone.

 

Hansjörg Sahli
Rhonegletscher

Broschiert, 132 Seiten mit 100 Farbabbildungen, Texte in Deutsch und Englisch
Edition Patrick Frey, 2018
ISBN: 978-3-906803-75-3; 42,- Euro

Der Solothurner Photograph Hansjörg Sahli hat vier Jahre lang den Rhone-Gletscher mit seinen Fliessabdeckungen photographiert. Nun ist ein Bildband darüber mit rund 100 Photos erschienen
Es gibt Gebäude, Landschaften, Dinge, die den Photographen Hansjörg Sahli mit seiner Kamera fast magisch anziehen. «Immer wieder schieße ich von bestimmten Objekten über Jahre hinweg Bilder. Ich kann eigentlich gar nicht erklären, warum. Es ist wie eine Passion», sagt er darüber. Und genau so eine Passion befiehl Sahli auch im Jahr 2014, als er zum ersten Mal beim Aufstieg zur Rhonegletschergrotte die grossen Vliestücher sah, die dort zum Schutz gegen das Abschmelzen des Eises angebracht worden sind. Er photographierte sie dann vier Jahre lang jedes Mal, wenn er wieder auf dem Gletscher stand. Und jedes Mal sahen sie etwas anders aus: Zunächst noch gespannt und weiss, später verwittert und dunkel gefärbt. «Von weitem sieht man die Tücher gar nicht so gut», hat Sahli erfahren. «Erst wenn man näher kommt, werden sie gut sichtbar.» Sahli ging es bei diesen Photographien nicht in erster Linie darum, das Abschmelzen des Gletschers chronologisch zu dokumentieren. Ihm ging es vor allem um die photographische Herausforderung, Weisses auf weissem Grund sichtbar zu machen. «Die Photos sind jeweils unterbelichtet», erklärt er deshalb. «So werden sie farbiger, die Kontraste verstärken sich.» Und trotzdem ist mit diesen rund hundert Aufnahmen ein eindrückliches Dokument des Klimawandels entstanden.

 

STOFFWECHSEL  
Die Ruhrchemie in der Fotografie

Hrsg.: LVR-Industriemuseum und Ludwiggalerie Schloß Oberhausen
mit einem Vorwort von Dr. Walter Hauser und Dr. Christine Vogt
und Texten von Walter Hauser, Sarah Hülsewig, Manfred Rasch, Rainer Schlautmann, Rolf Sachsse, Christine Vogt in Deutsch
290 Seiten, ca 240 Schwarz-Weiß und Farb-Photographien
Kettler Verlag, 2018
ISBN 978-3-86206-710-7; Buchhandelspreis: 38,- Euro, Museumspreis 24,90 Euro

Mit dem Begleitbuch »Stoffwechsel« wird das Firmenarchiv der 1928 gegründeten „Ruhrchemie“ photographisch und kunsthistorisch erschlossen. Ein solches Archiv beinhaltet 100 Jahre Industriephotographie und enthält aus seiner Funktion heraus Photographien zu den unterschiedlichsten Themen wie Industrielandschaften, Werksarchitekturen, Prozesse, Produkte, Arbeitsplätze und Mitarbeiter. Diese Bandbreite ist von differenzierter Qualität, denn vom betrieblichen Mitarbeiter, dem örtlichen Photostudio bis zum künstlerischen Photographen waren viele daran beteiligt.
Die Dokumentation der Unternehmensentwicklung der Ruhrchemie AG beschäftigte neben zahlreichen Berufs- und Amateurphotographen für die repräsentative Unternehmensdarstellung auch bedeutende Photographen wie Albert Renger-Patzsch und Robert Häusser. Für das Buch war es nun wichtig, die bisher weitgehend unbekannten und unveröffentlichten Photographien von Albert Renger-Patzsch und Robert Häusser stilistisch zu würdigen.
Das Buch »Stoffwechsel« zeigt die Ruhrchemie in der Photographie und damit eine große thematische und formale Bandbreite und mit den technischen Veränderungen auch die Brüche und Kontinuitäten in der Bildsprache dieses Mediums. Für die kunsthistorische Aufarbeitung der Industriephotographie ist dieser Sammlungsbestand aus dokumentarischen und künstlerischen Photographien von großer Bedeutung. Für seine Bewahrung und Erschließung ist dem Kurator Rainer Schlautmann (DGPh) aber auch den Betriebsräten und Werksleitungen der Nachfolgeunternehmen der Ruhrchemie AG zu danken, die eine Archivierung in der Sammlung des LVR-Industriemuseums ermöglichten.
Das Buch zeigt mit den Photographien von Albert Renger-Patzsch, Robert Häusser, Karl Hugo Schmölz, Carl August Stachelscheid, Ludwig Windstosser, Bernd und Hilla Becher, Joachim Schumacher, Hermann Dornhege oder Christian Diehl zugleich einen Querschnitt durch die Industriephotographie der letzten 90 Jahre. Die Photographien von Albert Renger-Patzsch, sind in ihrer kühlen und sachlichen „objektiven“ Bildsprache bis heute eine ideale Form zur Darstellung von Industriearchitektur und Ingenieursbauten. In ihrer künstlerischen und photogeschichtlichen Bedeutung ist ihnen im Buch ein ganzes Kapitel (im Peter-Behrens-Bau ein eigener Raum) gewidmet. Robert Häusser dagegen zeigt die Arbeitswelt mit an Maschinen arbeitenden Menschen und bildet damit formal und thematisch einen anregenden Kontrast zu den Photographien von Renger-Patzsch. Stilistisch besonders interessant für die Entwicklung seiner Bildsprache sind die einhundert Farbdiapositive (erstmals überhaupt publiziert), die in ihrer starken Farbigkeit, diametral der zeitgleich entstandenen und stark reduzierten SW -Werkserie »Das Moortagebuch« entgegenstehen. Diese gelungene Publikation mit dem anregenden Dialog von Photographie- und Textbeiträgen regt zum Nachdenken über die künstlerischen Möglichkeiten der Industriephotographie an und ist sehr empfehlenswert für Photographen und Buch-Sammler. (Ausstellung 16.09.2018 – 17.03.2019 im LVR-Industriemuseum und Ludwiggalerie Schloß Oberhausen) DB

 

Nina Röder
bath in brilliant green

Gebunden, 144 Seiten, Text in Deutsch und Englisch
KEHRER
ISBN-13: 978-3868288902; 39,90 Euro

In melancholischer Bildsprache zeigt Nina Röders Serie bath in brilliant green eine poetische Perspektive auf unterschiedliche Formen von Ohnmacht und Verlust. In assoziativen Arrangements von Porträts, Landschaften und Stillleben – oft in der Dunkelheit entstanden – nähert sie sich Zuständen des Verlierens und Wiederfindens sowie der Metapher des Loslassens. Inszenierungen marmorhaft wirkender Körper, oft in einem performativen Zusammenhang mit der umgebenden Natur, fragen nach der Bedeutung menschlicher Existenz. Nicht selten zeigen sich natürliche Strukturen und pflanzlichen Artefakte wie Teile von Algen oder Disteln in einer absurden Form. Röders Aufnahmen entstanden in den letzten fünf Jahren in Italien, Island, Irland, Spanien und Frankreich. In seiner Dramaturgie greift das Buch die verschiedenen farblichen Atmosphären dieser Länder auf.

 

Tom Haller
NUGGETS
- American Landscapes
Mit einem Text von Christian Seiler in Deutsch und Englisch
Festeinband, 112 Seiten, 55 farbige Abbildungen
Scheidegger & Spiess 2019
ISBN 978-3-85881-602-3; 48,- Euro

Der Schweizer Photograph Tom Haller hat sich einen Namen als Porträt- und Reportagephotograph gemacht. Seit 1990 hat er auf Reisen durch die USA auch ein umfangreiches Werk an Landschaftsbildern geschaffen, die uns seinen Blick auf das Gesicht Amerikas zeigen. Aus der Perspektive des Reisenden schaut Haller in die Prärie, auf Berge und in den Himmel, auf Strassen, Wohnhäuser und Motels, Sportarenen, Shops und auf im Niemandsland vergessene Autowracks. Seine Aufnahmen bilden die Verheissung dieser Landschaften und die Grenzen der durch sie angeregten Träume ab.
Die sorgfältig ausgewählten Bilder in diesem Buch – gewissermassen photographische Nuggets – erzählen von Aufbruch und Wunsch, von Verfall und Melancholie und damit vom Zustand des Staates und der Stimmung seiner Bewohner. Ausgehend von Tom Hallers Photographien reflektiert der bekannte Journalist Christian Seiler, auch er ein weit gereister Amerikakenner, die Intentionen des Photographen, aber auch die Gestimmtheit des Landes.

 

Lewis W. Hine
America at Work

Hrsg.: Peter Walther
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
Festeinband, 544 Seiten
Taschen Verlag
ISBN: 978-3-8365-7234-7; 15,- Euro

Der Photograph, Lehrer und Soziologe Lewis Wickes Hine (1874 – 1940) hat mit seinen Photographien wie kein anderer unser Bildgedächtnis von der amerikanischen Arbeitswelt des frühen zwanzigsten Jahrhunderts geprägt und eine ganze Generation beeinflusst.  Als ethisch motivierter Sozialreformer machte Hine, der vornehmlich als Auftragsphotograph für karitative, kommunale und regierungsamtliche Organisationen tätig war, das Los der unterprivilegierten Klassen öffentlich. „Ich wollte Dinge zeigen, die geändert werden mussten, und Dinge, die es verdient hatten, gewürdigt zu werden“ beschrieb Lewis Hine seine Herangehensweise.  Seine Aufnahmen von Stahlarbeitern in Pittsburgh, von der Kinderarbeit in Baumwollspinnereien, in Fabriken, Kohleminen und auf den Feldern, von Zeitungs- und Botenjungen, ihr Alter und je nach Tätigkeit nur etwa vier Jahre alt, wird in mehreren Kapiteln wunderbar dargestellt. Aber auch seine Bilder von Einwanderern auf Ellis Island und vom Bau des Empire State Building trugen maßgeblich mit dazu bei, das amerikanische Bürgertum über die soziale Wirklichkeit im Land aufzuklären. In seinen späteren Arbeiten änderte Hine seine Darstellungsweise und zeigte den Arbeiter nicht mehr als Opfer eines Ausbeutungsverhältnisses, sondern inszenierte ihn in der Art des sozialistischen Realismus als kräftigen, freundlichen und mutigen, vor allem aber unpolitischen Helden des Alltags.
Lewis W. Hine,  der 1940 in bitterer Armut starb, wird in diesem preiswerten, etwa 550 Seiten dicken, in der Bibliotheca Universalis des Taschen-Verlags, Köln, erschienene  Band jeweils mit einer repräsentativen Auswahl vorgestellt, die Aufnahmen aus all seinen Tätigkeitsfeldern und Perioden seines Schaffens zeigt. Die rund 350 Photographien sind in die Kapitel Ellis Island, Kinderarbeit in der Industrie, Kinderarbeit in der Landwirtschaft, Street Life, Europa 1918/19, Empire State Building sowie Spätwerk und Arbeitsporträts unterteilt und jeweils mit den originalen Bildunterschriften von Lewis Hine versehen.   Herausgeber  Peter Walther führt in einem ausführlichen Essay in das Leben und das photographische Werk von Lewis W. Hine ein und würdigt dabei ausdrücklich dessen künstlerisches Erbe, das längst ein Teil unseres kollektiven Bildgedächtnisses geworden ist.  (vZ)

 

THE DRAKE EQUATION
mit einem Text von Alard von Kittlitz in Englisch
Leinenband mit Blindprägung, 120 Seiten, ca. 112 Farbphotographien
Verlag Fountain Books, Berlin, 2017
ISBN 978-3-00-058059-8; 45,- Euro

Mit dem Buch »THE DRAKE EQUATION« ist ein Gemeinschaftsprojekt von Andrew Phelps und Paul Kranzler als Buch erschienen. Der Projekttitel ist etwas irritierend, handelt es sich doch um einen wissenschaftlichen Begriff, der im Zusammenhang mit einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt steht. Mitte der 1950er Jahre entstand das „National Radio Astronomy Observatory“ in Green Bank, im US-Bundesstaat West Virginia. Hier im „Pocahontas County“ bietet eine geringe Bevölkerungsdichte, das Fehlen von Industrie einen technikfreien Raum, der Voraussetzung für die Arbeit mit den elektromagnetisch hochempfindlichen Teleskopen ist.
Die beiden Photographen haben sich aber mit dem Ort/Raum Green Bank Valley auseinandergesetzt und dem spannenden Nebeneinander von Astrophysikern und Astronomen als hochqualifizierten Wissenschaftlern und einer seit den 1750er Jahren hier lebenden Landbevölkerung mit ihrer Rinderzucht, der Hirsch- und Bärenjagd und der Gewinnung des hier typischen Ahornsirups, Aktivitäten die wir mit amerikanischer Wildnis verbinden. Diese Gemengelage führt dazu, das heute auch viele Zivilisationsmüde und Wi-Fi-Flüchtlinge in die Region der „National Radio Quiet Zone“ kommen. Sie dokumentieren in einer umfassendenden photographischen Serie das Nebeneinander einer unberührten Naturlandschaft, mit riesigen Teleskopen und einer ursprünglich Bevölkerung mit einer fast archaischen Lebensweise. Ein Bild das ganz anders ist als der US-amerikanische Mainstream.
Andrew Phelps (*1967 Mesa, USA) lebt sit 1990 in Europa seine Arbeitweise ist geprägt von den Wüsten in Arizona und den österreichischen Alpen. Er ist als Kurator, Buchautor, Lehrbeauftragter und in der GALERIE FOTOHOF tätig.
Paul Kranzler (*1979) ist ein österreichischer Dokumentarphotograph, der bei Professor Joachim Brohm in Leipzig und in Linz studiert hat. Er ist heute in Salzburg tätig und erstellt weltweit dokumentarische Serien. Ausgestellt hat u.a. im FOTOHOF Salzburg, im Museum für moderne Kunst Linz und er editiert Photographiebücher seiner Werkserien.
(Ausstellung 8. November 2018 bis 24. Februar 2019, Oberösterreichische Landesgalerie Linz)

 

Lukas Wassmann
W

FEsteinband, 116 Seiten mit 101 Farbabbildungen
Edition Patrick Frey 2018
ISBN: 978-3-906803-76-0; 52,- Euro

Wie es der Herangehensweise des Schweizer Photographen Lukas Wassmann (*1980) entspricht, verschränkt sich im Bildband W Banales mit Bedeutsamem. Wassmanns Bilder mäandern zwischen intimem Schnappschuss, Selbstporträt, gestalteter Natur, Bauten und Menschen, selbst geschaffenen Möbeln und kommerzieller Mode- oder Dokumentationsphotographie. Vielleicht spricht daraus die Erkenntnis, dass sich die "Dinge des Lebens" eben oft auf Nebenschauplätzen abspielen. Hier geht es um das Dazwischen, nicht um Wassmanns money shots. W versammelt zwischen 2000 und 2018 entstandene Photographien, die weder einer zeitlichen noch einer thematischen Ordnung folgen. Vielmehr entspinnen sich aus assoziativen Bildabfolgen immer wieder lose Narrative, um abzubrechen und vielleicht irgendwo den Faden wieder aufzunehmen. Charaktere tauchen auf und verschwinden wieder, Choreografien von Formen lösen farbliche Analogien ab. Was zurück bleibt, sind gar nicht einmal konkrete Dinge, sondern eher atmosphärische Spuren, eine Bildsprache der Erinnerung, Momente aus dem Strom des Bewusstseins eines Autors mit einem höchst eigenwilligen photographischen Blick.

 

Robert Zhao Renhui
A Guide to the Flora and Fauna of the World

Box mit 58 Blättern und 55 Bildern (Vierfarbdruck)
Texte in Englisch
Steidl Verlag 2018
ISBN 978-3-95829-319-9; 58,- Euro

To what extent can we trust photography and science? Singaporean photographer Robert Zhao Renhui (born 1983) explores this question in A Guide to the Flora and Fauna of the World, which appears to be an authentic catalog of plants and animals but is in fact entirely fictitious. Renhui’s guide documents 55 different animals, plants and environments that have actually been manipulated by man but do not appear to be, and examines the myriad ways in which humans are altering nature. Here “are curious creatures that have evolved in often unexpected ways to cope with our changing world, including rhinoceroses with barely visible horns and monkeys dependent on food handed out by humans.” Other organisms in the series are the products of human intervention, mutations engineered to serve various purposes, such as man-made gelatin grapes, genetically modified tomatoes and “unbreakable” eggs.

 

TRUE TO THE EYES
The Howard and Carole Tanenbaum Photography Collection

Hrsg. Gaëlle Morel
Mit Texten von Paul Roth, Gaëlle Morel, Charlene Heath, Denise Birkhofer, Anthony Bannon und Brian Wallis in Englisch
Festeinband, 232 Seiten  mit etwa 200 Abbildungen
Hirmer-Verlag 2019
ISBN: 978-3-7774-3203-8; 45,- Euro

Der Ausstellungskatalog „True to the Eyes“, übersetzt etwa „Der wahrhaftige Blick“, bietet eine Auswahl von mehr als 200 Photographien aus der vielschichtigen Sammlung des kanadischen Ehepaars Howard und Carole Tanenbaum. Der reich illustrierte Band belegt das breite Spektrum photographischer Techniken, von Daguerreotypien aus dem 19. Jahrhundert über Ferrotypien und Alben bis hin zu ikonischen Werken von Alfred Stieglitz, Lewis Hine, Brassaï, Man Ray, André Kertész, Diane Arbus, Lisette Model oder Vivian Maier sowie eher zeitgenössischen Photographen, wie Walker Evans, Édouard Boubat, Robert Doisneau, Bruce Davidson, Duane Michals, Jim Goldberg, Mary Ellen Mark oder Fazal Sheikh. In der Einführung stellen Paul Roth, der Direktor des Ryerson Image Centre (RIC) in Toronto (Kanada), Gaëlle Morel, Kuratorin beim RIC, und Charlene Heath, Doktorin an der Ryerson/York University, in einem ausführlichen Interview Carol und Howard Tanenbaum und deren Sammelleidenschaft vor. Über Stücke aus der Sammlung, die aus den ersten 60 Jahren Photographie stammen, berichtet Charlene Heath unter dem Titel „Silber, Kupfer, Zinn und Glas“.  Viele davon sind original einmontiert in verschließbare Klappetuis oder in ihre historischen Bilderrahmen.
Was die Tannenbaums zum Sammeln von mittlerweile etwa 1000 Bildern gebracht hat, beantwortet der Essay von Anthony Bannon, ehemals Direktor des George-Eastman-Museum in Rochester. Beide waren von ihren jeweiligen Eltern beeinflusst und damit gewissermaßen vorbelastet: Carols Vater Max Granick war einer der angesehensten Bilderrahmer in New York, Howards Eltern sammelten im Auftrag der National Gallery of Canada landestypische Objekte, so auch frühe Photos, beispielsweise rund um die Niagarafälle.  
Thema des Beitrags von  Brian Wallis, Kurator der Walther Collection, New York/Ulm, ist die in der Sammlung stark vertretene amerikanische Porträtphotographie mit Beispielen aus allen historischen Perioden von der Daguerreotypie über professionelle Studioaufnahmen des frühen 20. Jahrhunderts bis zu politisch angehauchten, dokumentarischen Porträts der  1970er und 1980er Jahre.
Denise Birkhofer, Kuratorin am Ryerson Image Centre in Toronto, berichtet, dass dort das Sammeln von Photographie in 1968 begann und dass die Tanenbaums diese nach und nach durch Schenkungen regelmäßig unterstützt und damit letztlich in hohem Maße zur heutigen Bedeutung der Sammlung des RIC beigetragen haben.
Der im Hirmer-Verlag, München, erschienene Katalog enthält hervorragende Beispiele aus der vielfältigen und außergewöhnlichen Sammlung von Howard und Carol Tanenbaum. Mit der großen Anzahl von Abbildungen anonymer Daguerreotypien bis zu ikonischen Aufnahmen des 20. Jahrhunderts verbunden mit den wissenschaftlichen, dennoch sehr zugänglichen Beitragen präsentiert der Band somit die Geschichte der Photographie auf umfassende Weise. Zugleich veranschaulicht er den spezifischen Ansatz des Sammlerpaares, deren sehr persönlicher Blick sich mit einer hohen Aufmerksamkeit für soziale Fragen verbindet. (vZ) (Ausstellung im Ryerson Image Centre, Toronto (Kanada), bis 7. April 2019)

 

Fragments of Metropolis Ost
Das expressionistische Erbe in Polen, Tschechien und der Slowakei

Hrsg.: Christoph Rauhut, Niels Lehmann
Vorwort von Gesine Schwan, Einleitung von Beate Störtkuhl
Texte: Deutsch / Englisch
300 Seiten, 170 Abbildungen in Farbe, 40 Planzeichnungen und Kartenmaterial
Format: 16 x 25 cm, gebunden, Hardcover
München, Hirmer-Verlag
ISBN: 978-3-7774-3092-8; 29,90 Euro

Die Architektur des Expressionismus ist der Aufbruch der Baukunst in die Goldenen Zwanziger Jahre – mit regional unterschiedlichen Strömungen, Schwerpunkten und Protagonisten. Nach „Metropolis Rhein & Ruhr“ und „Metropolis Berlin“  dokumentiert der dritte, im Hirmer-Verlag, München, erschienene Band der Reihe nun die noch existierenden Bauten in Polen, Tschechien und der Slowakei. Als faszinierende Wiederentdeckung wird Gemeinsames und Unterschiedliches in dieser bedeutsamen europäischen Großregion präsentiert.
Die Begeisterung für Metropolis, einer von Komplexität, Vertikalität und Theatralik geprägten Architektur, erfasste in den 1920er Jahren auch Ost- und Mitteleuropa. Regional durchaus unterschiedlich umgesetzt und akzentuiert eint alle noch existierende Fragmente der unbedingte Formwillen und ein gekonnter Umgang mit Farbe, Material und Licht. Gemeinsam erzählen die u.a. von den Architekten Otto Bartning, Peter Behrens, Max Berg, Josef Chochol, Pāvils Dreijmanis, Josef Gočár, Pavel Janák, Jan Kotěra, Emil Králíček, Otakar Novotný, Hans Poelzig oder Jan Witkiewicz gestalteten Gebäude von der expressionistischen Vision einer neuen, modernen Gesellschaft.
In ihrem Vorwort stellt die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan fest, dass Heimat nicht im Gegensatz zu Vielfalt und weltstädtischer Offenheit stehen muss und freut sich, dass „der Band wunderbare Photographien von expressionistischen Baudenkmälern zusammenträgt, die schon ästhetisch eine reine Freude sind: Prächtige Villen, Kirchen, Synagogen, städtische Wohnhäuser, Kinos, Theater, Badeanstalten, ja auch Gas- und Wasserwerke.“
Beate Störtkuhl, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, belegt in ihrer ausführlichen Einführung, dass die damaligen Künstler und Architekten bei persönlichen Begegnungen oder im Rahmen von Ausstellungsbeteiligungen oder längeren Studienaufenthalten einen intensiven Austausch pflegten und schildert anhand von Beispielen die Entwicklung des Expressionismus in der Architektur. Der Hauptteil des Bands dokumentiert unter dem Titel „Fragmente“ in zeitgenössischen Photographien und Planzeichnungen 170 Bauten, u. a. in Aussig (Ústí nad Labem), Bratislava, Breslau (Wroclaw), Brünn (Brno), Danzig, Königgrätz (Hradec Králové), Kattowitz, Krakau, Liegnitz (Legnica), Prag, Stettin (Szczecin), Warschau und an vielen weiteren Orten. Ein detaillierter Index, Planzeichnungen und übersichtliches Kartenmaterial vervollständigen das Nachschlagewerk. (vZ)

 

Yigal Gawze
Form and Light – from Bauhaus to Tel Aviv

Mit Textbeiträgen von Yigal Gawze, Gilad Ophir und Michael Jacobson in Deutsch und Englisch
Festeinband, 120 Seiten, 100 Abbildungen in Farbe
Hirmer-Verlag, München
ISBN: 978-3-7774-3099-7; 45,- Euro

Der Einfluss, den die Bauhaus-Schule in den 1930er Jahren bei der Planung von Israels Metropole ausübte, belegt das Buch „Form and Light – from Bauhaus to Tel Aviv“, das rechtzeitig zu „100 Jahre Bauhaus“ erschienen ist, eindrucksvoll in großformatigen Photographien. Diese sind im Laufe der letzten Jahre von dem Architekten und Photographen Yigal Gawze erstellt worden.
Betitelt mit dem Zitat von Laszlo Moholy-Nagy „Photographie ist Lichtgestaltung“ schildert Gawze in einer persönlichen Einführung seine Eindrücke, als er die im Frühjahr 1984 eröffnete Ausstellung ‚The White City‘ im Tel Aviv Museum of Art, die in den 1930er Jahren aufgenommene Bilder der modernen Architektur seiner Heimatstadt zeigte, besuchte. Erst 1993, als die weißen Fassaden der frisch restaurierten Gebäude wieder ins Auge sprangen, begab er sich „auf die Suche nach dem Fragment, in dem das Wesen des Bauwerks, sein genetischer Code, eingeschlossen liegt.“ Dabei destillierte Gawze das Wesen des Bauhauses heraus, das in einer modernen Stadt wieder lebendig wurde. Denn die rund 4000 Gebäude formen, überwiegend im Bauhausstil, die weltberühmte „weiße Stadt“.
Yigal Gawzes Photographien zeigen denn auch die Spuren, welche die Begegnung des europäischen Bauhauses mit der Kultur des Mittelmeerraums hinterlassen hat.
Gleichzeitig sind sie eine Hommage an den Bauhaus-Geist und an die Avantgarde-Photographen der 1920er-Jahre, aber auch an die gegenwärtige Aktualität der architektonischen Moderne im Städtebau. Das faszinierende Porträt der leuchtenden Stadt offenbart mit überraschenden Detailaufnahmen aus Innen- wie Außenbereichen auch im Fragment das poetische Wesen der Bauhaus-Architektur.
Unter dem Titel ‚Der Geist eines Ortes‘ beschreibt der israelische Professor für Photographie und Kunst Gilad Ophir in seinem Essay den Einfluss, den die Bauhaus-Schule auch auf israelische Photographen hatte und warum die häufig auf Tel Aviv angewandte Bezeichnung ‚Die Weiße Stadt‘ in den 1930er Jahren als Übergang vom eklektischen zum internationalen Stil der Architektur gesehen wurde. Gleichzeitig erinnert er daran, dass schon Walter Benjamin in einem seiner berühmten Essays die Photographie zum perfekten Medium für den städtischen Raum erklärt hatte indem er feststellte, dass das damit verbundene Vorgehen, die Welt zu verlangsamen und anzuhalten, deren einzigartige Eigenschaft ist. Auch Gawze entnimmt durch die Photographie den Bauhaus-Gebäuden das menschliche Treiben und die Unruhe auf den Straßen.
Der Architekt und Geograph Michael Jacobson beschreibt die Gründung der Stadt im Jahre 1909, deren dramatischer Aufstieg in den 1930er Jahren, als die Stadtbebauung zum führenden internationalen Stil wurde, bis das ‚die Weiße Stadt‘ genannte Zentrum 2003 durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Die Bildtafeln des im Hirmer-Verlag, München, erschienenen Bildbandes sind mit dem Namen des Bauwerks und dessen Lage – Straße und Hausnummer – sowie dem Aufnahmejahr gekennzeichnet, während der jeweilige Architekt und das Baujahr dem Index zu entnehmen sind. (vZ)

 

Calatrava
Das vollständige Werk – 1979 bis heute

Hrsg.: Philip Jodidio
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
620 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
Taschen-Verlag
ISBN:  978-3-8365-7241-5; 50,- Euro

Santiago Calatrava ist der einzige Architekt, dessen Werk sowohl im Museum of Modern Art als auch im Metropolitan Museum in New York ausgestellt wurde. Seine bisherigen Schöpfungen reichen von den olympischen Sportstätten in Athen bis zum Bahnhof Oculus am Ground Zero in Manhattan. Joseph Seymour, der Auftraggeber des Bahnhofs, für den Calatrava die Materialien Glas, Stahl, Beton, Stein und Licht wählte – „in den Brennpunkt eines der dunkelsten Geschehnisse der jüngeren amerikanischen Geschichte muss Licht fallen“ - , bezeichnet den Architekten denn auch als "da Vinci unserer Tage". Aerodynamische Assoziationen, natürliche Formen und menschliche Bewegungen prägen viele seiner Projekte und zeugen von seinem besonderen Interesse am Zusammenspiel von Gleichgewicht und Dynamik. Seine lichtdurchfluteten, die Sinne verwirrenden neofuturistischen Bauten verbinden organische Formen mit raffinierten ingenieurtechnischen Lösungen – komplex, skulptural, spektakulär.  Immer wieder lässt der Architekt aus Wiederholung Vielfalt und Bewegung entstehen, indem er Biegungen oder fächerförmige Elemente einbringt, um Leichtigkeit in seine Bauten und Skulpturen zu bringen. Dabei gestaltete Calatrava höchst unterschiedliche Bauwerke: Auditorien und Konferenzzentren, Bahnhöfe, Flughafengebäude, Hochhäuser, Museen, Sportarenen, Kirchen, Schwimmbäder, vor allem aber Brücken. Besonders deren Gestaltung steht in engem Zusammenhang mit dessen Interesse am menschlichen Auge. Überhaupt will er Brücken einfach eine besondere Bedeutung verschaffen. So wird die von 13 Seilpaaren gehaltene Brücke am Eingang der Expo 92 in Sevilla beispielsweise von einem 142 Meter hohen, im Neigungswinkel von 58 Grad gebauten Pylon gehalten und ist von der Altstadt aus zu sehen.
In seinen neuesten, teilweise noch im Bau befindlichen Projekten fordert er die konventionellen Grenzen des Bauens heraus, wie bei dem Bahnhof von Mediopadana in Reggio Emilia (Italien), dem ‚Museum von Morgen‘ in Rio de Janeiro oder dem Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate für die Expo 2020 in Dubai.
Die im Taschen-Verlag, Köln, erschienene Monographie „Calatrava – das vollständige Werk 1979 bis heute“ stellt die gesamte bisherige Arbeit des spanischen Architekten vor. Herausgeber Philip Jodidio, international einer der bekanntesten Autoren über Architekten, führt unter dem Titel „Das Geheimnis der Philanthropie“ ausführlich in das Werk des 1951 in der Nähe von Valencia geborenen Santiago Calatrava ein und sieht diesen als Ingenieur, Architekt und Künstler, dessen Denken von einem Nebeneinander von Kunst, Architektur und Technik geprägt ist.
Jedem seiner 53 Bauwerke widmet der großformatige Bildband ein Kapitel, das mit einer doppelseitigen Abbildung beginnt und unter dem Titel des Projekts den Standort, den Auftraggeber, oftmals auch die Ausmaße, die Bauzeit und die Entstehungskosten nennt. Kurz erläutert folgen ein oder mehrere Skizzen sowie die ausführliche bildliche Darstellung des jeweiligen Bauprojekts - mit hervorragenden Aufnahmen internationaler Architekturphotographen. (vZ)

 

Alice Maude-Roxby, Stefanie Seibold
Changing New York / Censored Realities

The complete reclaimed texts of art critic and political journalist Elizabeth McCausland intended for photographer Berenice Abbott’s 1930s seminal book Changing New York
Mit Texten von Elizabeth McCausland, Zoe Leonard, Alice Maude-Roxby, Stefanie Seibold in Englisch
Edition Camera Austria, Graz 2018.
Gebunden, 186 Seiten mit 15 SW-Abbildungen.
ISBN 978-3-902911-39-1; 19,- Euro

Die Forschung zu weiblichen/sapphischen Kollaborationen der Moderne deckt fortlaufende Prozesse der »Auslöschung« oder des »Aus-der-Kunstgeschichte-heraus-Schreibens« weiblicher Protagonistinnen auf. Ein Beispiel ist die von Dutton publizierte Buchausgabe des Projekts »Changing New York« der Photographin Berenice Abbott und der Autorin Elizabeth McCausland aus dem Jahr 1939.
Es ist kaum bekannt, dass Dutton sowohl die Originaltexte, die McCausland zu Abbotts Photographien geschrieben hatte, als auch die von den beiden entwickelte innovative Text-Bild-Gestaltung ablehnte. Stattdessen entschied sich der Verlag für eine konservative Gestaltung und redigierte McCauslands Texte so radikal, dass lediglich knappe, inhaltsleere, mit den Originaltexten kaum mehr vergleichbare Bildunterschriften übrigblieben. So verflachte er auch die Sicht auf Abbotts Photographien, die in der publizierten Version nur mehr wie Illustrationen eines New-York-Stadtführers erschienen.
Im Museum of the City of New York stießen Alice Maude-Roxby und Stefanie Seibold auf das vollständige Konvolut der Originaltexte, die Elizabeth McCausland, eine Kommunistin und sozialkritische Journalistin sowie langjährige Partnerin Abbotts, für das Buch geschrieben hatte. Im Archiv waren sie seit 1939 intakt und mehr oder weniger unberührt geblieben.
Die kritischen Texte verorten die Photographien im größeren politischen und sozialen Kontext der Großen Depression in den USA der 1930er-Jahre. In ihrem ursprünglichen Konzept hatten Abbott und McCausland die Texte und die Photographien in Bezug auf die Produktion von Wissen und/oder als Werkzeug kritischer Reflexion in gleicher Weise gewürdigt. Das Buch sollte die erschütternden sozialen Bedingungen und Ungleichheiten des New Yorks der 1930er-Jahre kommentieren. McCauslands vollständige Texte erscheinen nun erstmals in dem Buch Changing New York / Censored Realities in der Edition Camera Austria. Ein eigens für das Projekt konzipiertes Index-System ermöglicht es den Leser*innen, jeden der 100 Originaltexte den entsprechenden Fotografien Berenice Abbotts zuzuordnen, die in der ersten Changing New York-Ausgabe von Dutton und in späteren von Dover publiziert wurden. Ein ausführlicher Text und mehrere Originalbriefe geben Einblick in die Recherche der beiden Autorinnen und in die Geschichte dessen, was sie im Rahmen eines größeren Rechercheprojekts als »Sapphic Modernity« bezeichnen.

 

Photographs and History
Interpreting Past and Present through Photographs

Eds. Olli Kleemola (DGPh) and Silja Pitkänen
Cultural History - kulttuurihistoria 15
Published by k&h, Department of Cultural History, University of Turku, Turku, Finland
ISBN: 978-951-297-480-1; 25,-  Euro

The world is becoming more and more visual, and the images that surround us are often photographs. Indeed, millions of photos are taken each day. It is crucial to reflect on how photographs affect our lives and our understanding of the past and the present. In this edited volume, ten researchers from humanities and social sciences examine how historical and contemporary photographs can be analysed, what questions such analysis can answer, and what kind of knowledge it can produce. The book illuminates the role of photographs in the colonial era, in the Second World War, and during the Cold War. It also contemplates the role of photographs in the news, trials, crises and social media, and includes the approach of digital humanities. The purpose is to widen our notion of how the past and the present can be understood via photographs.