Gerd Ludwig (DGPh)
Der lange Schatten von Tschernobyl

Texte von Michail Gorbatschow
252 Seiten, 127 Photos, Deutsch, Englisch, Französisch
Edition Lammerhuber
ISBN 978-3-901753-66-4; 75 Euro

National Geographic Photograph und Dr.-Erich-Salomon-Preisträger 2014 Gerd Ludwig hat in den letzten 20 Jahren Tschernobyl neun Mal besucht. Und er hat sich weiter als jeder andere Photograph in den „Bauch“ von Reaktor #4 vorgewagt, um die größte nukleare Katastrophe der Geschichte zu dokumentieren. Mit packenden und berührenden Photographien ist dieses Buch ein Buch des Erinnerns, denn Tschernobyl verschwindet. Im Wortsinn. Ein zweiter „Sarkophag“, das 2,2 Milliarden teure New Safe Confinement wird in Kürze das bekannte Bild des von der Explosion am 26. April 1986 zerstörten Reaktors für immer hinter einer High-Tech-Konstruktion verschwinden lassen. Es ist aber vor allem ein Buch des Erinnerns an jene Menschen, die diese Tragödie durchleiden müssen. „Mich treibt die Verpflichtung, im Namen von stummen Opfern zu handeln, um ihnen mit meinen Bildern eine Stimme zu geben. Bei meinem Aufenthalt in Tschernobyl habe ich viele verzweifelte Menschen getroffen, die bereit waren, ihr Leiden öffentlich zu machen – einzig beseelt von der Hoffnung, Tragödien wie jene in Tschernobyl zukünftig zu verhindern“, sagt Gerd Ludwig über sein photographisches Vermächtnis. Michail Gorbatschow reflektiert in einem begleitenden Essay die Bedeutung der Ereignisse von Tschernobyl im Lichte der politischen Entwicklungen, die zum friedlichen Ende des „Kalten Krieges“ geführt haben.

 

Maziar Moradi
Ich werde deutsch

56 Seiten mit ca 40 Farbphotographien
Verlag Klettler
ISBN 978-2-86206-360-4 ; 12,50 Euro

Das Buch zeigt die photographische Serie von Maziar Moradi (Otto-Steinert-Preis 2007), die sich mit der Reflexion von Aspekten der Migration auseinandersetzt. In ihrem Beitrag »Geschichten als Ideenskizzen« führt Dr. Barbara Rommé aus, dass für den Photographen Moradi die Assoziationen des Betrachters wichtig ist, und er dessen Vorstellungskraft die Interpretation überlässt. Zu vier Texten gibt sie keinen Interpretationsversuch, sondern Hinweise zu der Perspektive des Photographen, zur Symbolik seiner Bildsprache, zu der Verwendung des Lichtes. Die interessante Gegenüberstellung von Text und Interpretationsskizze wird durch das Fehlen der Abbildung geschmälert. In subtilen Inszenierungen, die Verwandte in symbolischen Szenen zeigen, reflektiert Moradi seine Erfahrungen mit der Migration. Die Texte der Gespräche mit den dargestellten Personen dienen ihm als Skizzen für seine Photographie. Prof Siegel stellt in seinem Beitrag den Zusammenhang zwischen der Formulierung “Menschen mit „Migrationshintergrund” und den Bildkompositionen von Maziar Moradi her. Er betont die Interpretationsversuche des Betrachters als Teil von Moradis künstlerischem Konzept, das Erkennen von Schlüsselszenen der persönlichen Entwicklung, die Inszenierung ist Sichtbarmachung persönlicher Erfahrungen, schlaglichtartiger Erinnerungsbilder. (DB)
(Ausstellung: Stadtmuseum Münster; 18.04. - 31.07.) 

 

Chargesheimer
Die Entdeckung des Ruhrgebietes

Hrsg. H.Th.Grütter, Stefanie Grebe (DGPh)
340 Seiten mit ca 260 SW-Photographien
Edition Walter König
ISBN 978-3-86335-526-5; 29,80 Euro

Das Buch ist die Auseinandersetzung mit dem Buch »Chargesheimer - im Ruhrgebiet«, das 1957 veröffentlicht wurde. 1957 setzten Heinrich Böll und der Photograph Chargesheimer sich mit dem industriellen Ruhrgebiet auseinander, das gerade seinen industriellen Höhepunkt erreicht hatte. So ist aus heutiger Sicht nach fast 60 Jahren die Frage bei Photographen und Betrachtern von großem Interesse, wie ist die heutige Sicht auf die Region, hat sich die photographische Rezeption der Industrieregion geändert? „Das Ruhrgebiet ist noch nicht entdeckt worden“, so lauten die ersten Worte des Einleitungstextes von Heinrich Böll zu dem Bildband »Im Ruhrgebiet«. Dem Schriftsteller Böll ist der Lapsus in diesem Zitat zu verzeihen, kannte er als Kölner wohl nicht die bemerkenswerten Photographien »Ruhrgebiet-Landschaften 1927-1935«, die 30 Jahre vorher entstanden waren. Das Kuratoren(team) hat entsprechend anspruchsvoll dem Werk Chargesheimers einen Katalog und eine Ausstellung erarbeitet, die über das Buch (1957) mit dem Text von Heinrich Böll hinausgeht indem sie 250 häufig noch nicht publizierte Photographien und einen Dialog initiiert mit den stilprägenden Photoreportagen und Bildbänden, die seit Chargesheimer zum Ruhrgebiet publiziert wurden. Aus der Sicht der Photographen ist die Entscheidung zu bedauern, dass kein Reprint des Buches von 1957 erfolgte, weil für das künstlerisch/photographisch geschulte Auge des Betrachters doch ein erheblicher Unterschied zwischen den von Chargeheimer gewählten Bildausschnitten (im Buch) und der Vergrößerung der vollformatigen Negative besteht. Insgesamt eine weitere wichtige Publikation des Ruhrmuseums zur künstlerischen Photographie, und ein interessantes Buch, das Diskussionen zur zeitgenössischen Photographie, wie zum aktuellen Lebensgefühl anstoßen wird. (DB)
(Ausstellung: Ruhrmuseum in Essen 26.05. 2014 - 18.01. 2015)

 


Ernst Leitz II
„Ich entscheide hiermit: Es wird riskiert.!“
Hrsg.: Knut Kühn-Leitz (DGPh)
290 Seiten mit über 200 Abbildungen in Duoton
Heel Verlag
ISBN 978-3-86852-941-8; 29,95 Euro

Leica feiert 2014 ein Doppeljubiläum: Vor 100 Jahren, im März 1914, hatte Oskar Barnack (1879 – 1936) das Ur-Modell der Leica fertiggestellt. Vor 90 Jahren, im Juni 1924, entschied Ernst Leitz II (1871 – 1956) die Kamera mit dem von Max Berek entwickelten Objektiv in Serie fertigen zu lassen. Dazu hatte er, dessen Unternehmen in dieser Zeit Weltmarktführer für hochwertige Mikroskope war, seine leitenden Mitarbeiter in Entwicklung und Konstruktion, Technik, Vertrieb und Finanzen zusammengerufen. Am Ende der stundenlangen Sitzung sagte Ernst Leitz schließlich den wegbereitenden Satz: „Ich entscheide hiermit: Es wird riskiert.“ Damit hatte er die wichtigste Entscheidung seines Lebens getroffen, trotz aller erkennbaren Risiken. Es war eine Entscheidung, die als „Ritt über den Bodensee“ Geschichte machte und die danach die phototechnische und photochemische Industrie über ein dreiviertel Jahrhundert maßgeblich bestimmen sollte.
Anlässlich der 90-jährigen Wiederkehr dieser bahnbrechenden Entscheidung gibt Knut Kühn-Leitz nun eine neue Biographie über seinen Großvater heraus, die Beiträge etlicher Fachleute enthält. Ernst Leitz hatte früh den Trend zu einer kleinen, leichten und handlichen Kamera erkannt, wusste aber auch, dass es mit der Kamera alleine nicht getan war. Dem Industriellen und erfolgreichen Unternehmer war sehr bewusst, dass für die Kamera sowohl eine äußerst präzise Mechanik und eine hervorragende Optik erforderlich waren, dass aber darüber hinaus ein komplett neues System für das Aufnahmeformat 24x36 mm mit Filmkassette zur Aufnahme des Films, vor allem aber Geräte für die Wiedergabe des briefmarkengroßen Negativs – Vergrößerung und Projektion – benötigt wurden. Als die Leica auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1925 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hatte Leitz daher bereits zwei einfache Vergrößerungsapparate, einen für das Bildformat 6x9 cm und einen für das Postkartenformat 9x14 cm, im Programm. Schon ein Jahr später wurden das erste variable Vergrößerungsgerät für das Herstellen größerer Bilder von dem kleinen Negativ sowie ein Projektor für das Vorführen von Filmstreifen angeboten. Zudem fiel die Entscheidung des Unternehmers in die Zeit der Hyperinflation verbunden mit extremer Arbeitslosigkeit. Dennoch entschied sich der Mikroskophersteller Leitz für den Start eines für sein Unternehmen neuen, zusätzlichen Fertigungsprogramms, die Photographie, und dies nicht zuletzt auch aus sozialen Gesichtspunkten: „Hier handelt es sich um eine Möglichkeit, unseren Arbeitern mit dieser kleinen Kamera – wenn sie hält, was ich mir von ihr verspreche – in den Jahren des Depression Arbeit zu beschaffen und sie damit durch die kommende schwere Zeit hindurch zu bringen.“  Zur Beurteilung der Tragweite der Entscheidung von Ernst Leitz spielt schließlich die damalige Situation des Aufnahmematerials wie auch die des Photohandels eine wichtige Rolle. Auch darauf wird im ersten Teil des neuen Buch ausführlich eingegangen.
Der zweite Teil schildert die menschliche Seite von Ernst Leitz. Dieser dachte in vielfältiger Weise politisch und handelte sozial, und das mit einem erheblichen Maß an Zivilcourage, verbunden mit hohem, persönlichen Risiko für sich und seine Familie. In der schweren Zeit des Nationalsozialismus verhalf er zahlreichen rassisch oder politisch verfolgten Mitbürgern zu Arbeit und Brot, entweder in seinem Unternehmen oder, nach deren Flucht, in einer Niederlassung im Ausland. Anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Leica Photographie rundet das Buch die Feierlichkeiten mit dem Erinnern an die vor 90 Jahren von einem großen deutschen Unternehmer getroffene, wegbereitende Entscheidung ab, ein neues photographisches System einzuführen. (HGvZ)

 

Horst Hahn (DGPh)
Begegnungen

Text von Dr. Stefan Kraus
Eigenverlag; 16,- €

In diesem Buch zeigt Horst Hahn eine Auswahl seiner Portraitphotographien von Begegnungen mit namhaften nationalen sowie internationalen Künstlern und Menschen, die er unter anderem auf seinen Reisen nach Indien und Afrika getroffen hat. Dabei zeigt er, dass er ein empfindsamer Photograph ist, der in seinen anspruchsvollen Photographien auch das Innere des Menschen zeigt, dabei aber immer die nötige Distanz und Achtung wahrt. Ob der Bauer in Afrika oder der bekannte Star, die Würde der Menschen bleibt immer gewahrt. So werden die Portraitierten nicht nur zum Abbild ihrer selbst, sondern zu exemplarischen Vertretern ihres jeweiligen Kulturkreises und öffnen dem Betrachter ein Fenster zur Welt. Hahn hält als künstlerischem Ausdrucksmittel an der traditionellen analogen Schwarz-Weiß-Photographie fest und betreibt diese mit besonderer handwerklicher Sorgfalt, die ihm Zeit für den Akt des Photographierens und sein Gegenüber schenkt.

Das Buch kann bei Horst Hahn bezogen werden, unter Tel.: 0221-760 4944

 

Martin Schlüter
Nachts Schlafen Die Spione

Ca. 160 Seiten, ca. 120 Abb. in Farbe
Sieveking Verlag
ISBN 978-3-944874-03-6; 59,90 Euro

60 Jahre nach seiner Gründung zieht der Bundesnachrichtendienst (BND) von Pullach nach Berlin um. Große Teile der Zentrale werden künftig abgerissen. Der Photograph Martin Schlüter durfte das Areal für den BND umfassend und unzensiert dokumentieren. Entstanden ist ein Photoporträt höchster Klasse, das von der ersten bis zur letzten Aufnahme fasziniert. Wie ein Spion erkundet der Betrachter bei Nacht Schritt für Schritt eine über Jahrzehnte verschlossene Welt. Hinter Mauern eröffnen sich im künstlichen Dämmerlicht leere Diensträume, soeben verlassene Büros voller historischer Hinweise und erstaunlicher persönlicher Details der Mitarbeiter, die die Bilder nicht zeigen dürfen. Alles, was der Beobachter auf diesen Photos entdeckt, muss er hinterfragen: Hält unser medial geprägtes Bild von den Geheimdiensten der Realität stand? Ein seltener Einblick in das Innere einer Behörde, die für Auslandsaufklärung, Spionage und absolute Verschwiegenheit steht. Mit Beiträgen von Prof. Klaus Honnef (DGPh) und Niklas Maak.

 

Bernhard Fuchs
Waldungen

104 Seiten mit 50 Farbphotographien
Koenig Books
ISBN 978-3-86335-537-1; 48 Euro

Das Buch ist das Ergebnis einer längeren Projektarbeit, die der aus dem oberösterreichischen Mühlviertel stammende Bernhard Fuchs mit den Werkserien Straßen und Wege und Höfe und jetzt mit Waldungen erarbeitet hat. In seinen Photographien, die aus genauer Beobachtung bis ins Detail entstehen, geht es um das Bild der Landschaft als Ganzes. Nicht die Gegend um Helfenberg wird dargestellt, sondern das Bild der europäischen Waldlandschaft. So schlagen die Photographien den Bogen vom Heimatgefühl zum allgemeinen Naturerlebnis. In dieser Metamorphose wecken die Bildmotive im Betrachter die Erinnerung an die Schönheit und den Wandel in der Natur. Damit ist diese Photographie vom scheinbar exotischen und Spektakulären in der Bildaussage und von dem Zeitgeist weit entfernt. Es ist zu bedauern, dass das Buch keinen Text enthält, der diese Werkserie im Bezug zu anderen künstlerischen Photographieserien und damit diese bemerkenswerte Werkserie in einen größeren Kontext stellt. Der fachkundige Betrachter wird hier unweigerlich an das Buch »Die Bäume« von Albert Renger-Patzsch erinnert, der von einzelnen Individuum in seiner Serie zu einer Gruppe und dann zur Gesamtsicht des Waldes übergeht. Bleibt die interessante Diskussion, welche künstlerische Möglichkeiten, welche Ausdrucksvorteile SW- oder Farbphotographie haben. Das Buch ist ein interessanter Aspekt zu der Diskussion, welche Resonanz/Rezeption die “klassische Moderne” in der zeitgenössischen Photographie hat. (DB)
(Ausstellung: Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop, 11.05.-10.08.)

 

Saul Leiter
Early Black and White

Herausgegeben von Max Kozloff
in Zusammenarbeit mit Margit Erb und Howard Greenberg Library
2 Bände im Schuber
388 Seiten
Steidl
ISBN 978.3.86521.413.3; 64,- Euro

War die Retrospektive 2012 in den Deichtorhallen in Hamburg für viele schon eine Entdeckung und ließ die Geschichte der Farbphotographie neu schreiben, so dürfte das vorliegende „neue“ Werk von Saul Leiter wiederum viele weitere Fans finden. In beeindruckenden Photos zeigt uns Saul Leiter in seiner ihm eigenen Weise die wichtigen und unwichtigen Dinge des Lebens. Auch wenn er die Anfänge des Buches noch miterleben durfte, die jetzige Veröffentlichung kam für ihn zu spät. Saul Leiter starb im November 2013.
 

The Rendering Eye: Urban America Revisited
288 Seiten, 9 S/W-Abbildungen 131 Farbabbildungen
Edition Patrick Frey
ISBN: 978-3-905929-54-6; 54 Euro

The Rendering Eye zeigt Screenshots des urbanen Amerikas, wie sie in der 3D-Darstellung von Apple Maps erscheinen: Straßen, Gebäude und Industrieanlagen ohne Menschen, beinahe post-apokalyptisch. Autos und Schiffe werden zu ephemeren Schatten, Bäume verpuppen sich zu Skulpturen, Container schmelzen, Maschinen verformen und Straßen verwerfen sich. In der geisterhaften Welt von Apple Maps regieren erstaunlich mimetische, sich den Konturen der Welt anschmiegende, trotzdem aber von der «Wirklichkeit» heillos überforderte Algorithmen. Die Software wurde ursprünglich für zielsuchende Raketen entwickelt und ist seit einigen Jahren declassified. Nun bringt sie Bilder hervor, die zugleich an die dystopischen Metropolen von Blade Runner wie an das expressionistische Häusermeer in Das Cabinet des Dr. Caligari, an die futuristischen Bauten von SimCity oder an Camille Pissarros lichtdurchtränkte Boulevards erinnern. Die Stadtansichten, die Regula Bochsler für dieses Buch eingefangen hat, sind abstrakt, maschinengeneriert, kalt. Dennoch sind sie von zuweilen überbordender, manchmal auch poetisch zarter Farbigkeit. Dank ihrer «Fehler», ihren verwischten Linien, Verzerrungen und Spiegeleffekten wirken sie wie von Menschenhand gemacht. Nicht zuletzt deshalb sind sie von obskurer malerischer Schönheit. Die Historikerin und Publizistin Regula Bochsler und der Historiker und Photograph Philipp Sarasin reflektieren die photo- und medienwissenschaftlichen Implikationen dieser algorithmisch generierten Stadtansichten, die in technisch avanciertester Weise unsere «Neue Welt» zeigen. 
Drei Texte begleiten die virtuelle Flyover-Expedition: Regula Bochsler schreibt über die Anfänge der klassischen Luftphotographie, ein Essay des Theoretikers Bernd Stiegler (DGPh) bietet die photographiehistorischen Folien zu den Bildern, während der Redakteur des Magazins MIT Technology Review, Tom Simonite, die militärischen Ursprünge der Apple-Technologie beleuchtet.

 

Alban von Stockhausen
Imag(In)Ing The Nagas

452 Seiten, ca. 400 Abbildungen in Farbe und S/Weiß, Englisch
ISBN: 978-3-89790-412-5; 58 Euro

Die Publikation eröffnet einen faszinierenden Einblick in die Kultur der Naga-Stämme in den östlichen Ausläufern des Himalayas. Anhand von rund 400 historischen Aufnahmen rekonstruiert der Autor mit wissenschaftlicher Präzision die Begegnung zwischen den Naga, dem britischen Kolonialreich und zwei deutschsprachigen Forschern, deren Bildwelten und Ideologien. Als die britische Kolonialmacht im neunzehnten Jahrhundert ihren Einfluss auf die Bergregionen im Grenzgebiet zwischen Indien und Burma ausdehnte, begann für die dort ansässigen Naga-Stämme eine Zeit, in der sich ihre Kulturen grundlegend verändern sollten. Den Gewehren der Eroberer folgten die Dogmen der Missionare, aber auch die Zeichenstifte und Photoapparate der Dokumentaristen. Deren Bilder und Objekte fanden bald ihren Weg auf die Tische der Salons und in die Museen Europas. Die spektakuläre materielle Kultur mit ihrer eigenwilligen Ästhetik sowie das Faszinosum der Kopfjagd führten dazu, dass die Naga schon bald zum Sinnbild der ‚Edlen Wilden‘ stilisiert wurden. Ihre bildliche Dokumentation fand in den 1930er-Jahren einen Höhepunkt in den Forschungsreisen des österreichischen Völkerkundlers Christoph von Fürer-Haimendorf und seines deutschen Kollegen Hans-Eberhard Kauffmann.
Der verschollen geglaubte, vom Autor wiederentdeckte photographische Nachlass Kauffmann steht im Zentrum der vorliegenden Publikation. In einer ausführlichen ,bildlichen Ethnographie‘ wird der Versuch unternommen, die ästhetische und kulturelle Realität der Naga in den1930er-Jahren durch die Linse des Ethnographen zu rekonstruieren. Die Photographien Fürer-Haimendorfs werden – neben anderen Quellen – zur Kontextualisierung herangezogen. In einem ausführlichen Einleitungsteil werden die der Arbeit zu Grunde liegenden Methoden vorgestellt sowie die Biographien und politisch-ideologischen Verflechtungen der beiden Ethnographen analysiert.

 

Reflexion - Ästhetische Referenzen
272 Seiten mit ca. 80 Photographien

Edition der Darmstädter Tage der Photographie
ISBN 978-3-9813629-4-7; 20 Euro

Der Katalog ist eine interessante Mischung aus Ausstellungskatalog und Beiträgen zur zeitgenössischen Photographie, und somit ein ergänzendes Forum für die Photographie vom Dokument über die Werbung bis hin zur Kunst. Der Katalog lädt ein zu einem Dialog über die Photographie ihre Möglichkeiten und deren Rezeption. Dazu werden seit 2005 Photographen und Photokünstler mit Bildbetrachtern zusammengebracht. Diese öffentliche Auseinandersetzung mit dem Wirkungsspektrum der Photographie wird ermöglicht durch fachlich hervorragend besetzte Vorträge und den Diskussionen des Symposions mit denen philosophischen, künstlerischen und gesellschaftlichen Aspekte und Fragen des objektiven und subjektiven Sehens beleuchtet werden. Es entsteht dabei ein anregender Diskurs, da Photokünstler aber auch Philosophen, Autoren und Wissenschaftler ihre Positionen zum Thema vorstellen. Aus Fachdiskussion und der Begegnung von Berufstätigen und künstlerischen Nachwuchsentsteht ein Dialog, der diese Veranstaltung prägt. Nimmt man den Katalog in die Hand spürt man sogleich, dass hinter der Veranstaltung die Werkbundakademie Darmstadt und der Fachbereich Gestaltung der Hochschule Darmstadt stehen, fällt er doch aus dem Rahmen der üblichen Photographiepublikationen. Mit seiner klaren und ansprechenden Gestaltung, dem angenehmen Format, und der guten Herstellung wird Photographie zum visuellen und haptischen Erlebnis! (DB)

 

Das Flussarchiv
208 Seiten mit 76 Farb- und 123 SW-Photographien
Kerber Verlag
ISBN 978-3-86678-944-9; 38 Euro

Das Buch ist eine Mischung aus Werksphotographie und Bildserien mit einem künstlerisch photographischen Ansatz. Die Photographien von Emschergenossenschaft und Lippeverband 1899–2013 sind über 200.000 Archivbilder, und damit nicht nur umfangreich, sondern zeigen einen nahezu einzigartigen Querschnitt duch die in industriellen und städtebaulichen Veränderungen der letzten 115 Jahre. Alle Baumaßnahmen der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes werden seit 1899, sofern möglich, vor Ort im Ausgangszustand, mit der Baumaßnahme, und dem Ergebnis der Maßnahme in unterschiedlichen photographischen Aspekten dokumentiert. Die Photographien zeigen aber nicht nur die technischen Entwicklungen und die strukturellen Veränderungen in der Region, sondern auch den stilistischen Einfluss von »Neuem Sehen« und »Neuer Sachlichkeit« auf diese “Werksphotographie.” Neben Texten zur Tätigkeit der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes sind von besonderem Interesse die Texte von Dr. Sigrid Schneider zur Thematik “das Ruhrgebiet und die Photographie” und zum Emscher-Lippe Archiv, in dem sich prototypisch das Ruhrgebiet von der Industrialisierung über den Strukturwandel bis zur Renaturierung zeigt. Die Bildserien enthalten komplexe Motive, die über die Fachdokumentation hinaus den jeweiligen Kontext wieder geben und damit auch zeitgenössische Quelle für die Forschung sind. Bei den vielen genossenschaftlichen Aspekten im Buch kommt das Kooperationsprojekt „Revisited“ mit der FH Dortmund ein wenig zu kurz. Eine interessante Auswahl von sechs Bildserien zeitgenössischer Photographie ist stellvertretend für die über 40 Motivserien von Emscher und Seseke, die das photographische Bildgedächtnis der Region ergänzen. Insgesamt präsentiert das Buch 100 Jahre Photographie auf einem hohen gestalterischen und technischen Niveau.
 

1914 – Mitten in Europa
342 Seiten mit ca. 400 Photographien
Klartext Verlag
ISBN 978-3-8375-1147-5; 29,95 Euro

Der Katalog ist ein Grundlagenwerk zu den Veranstaltungen »100 Jahre Erster Weltkrieg« und gleichzeitig ein Panorama einer Epoche zwischen Aufbruch und Krieg. Der Erste Weltkrieg hat nicht nur die Soldaten und deren Familien tiefgreifend geprägt, sondern die politische Entwicklung Deutschlands, Europas und insbesondere der Rhein-Ruhr-Region im 20. Jahrhundert und bis heute. Die Bedeutung der Photographie wird bereits im Titelbild deutlich, das Soldaten vor dem Gasangriff im Schützengraben zeigt und damit die ganze Absurdität des industrialisierten Kampfes. In allen Themenabschnitten werden eindrucksvolle Photographien gezeigt, dabei ist den Kuratoren eine überzeugende Mischung aus professioneller und Amateurphotographie gelungen. So werden in den Themenabschnitten neben dem Rheinland das gesamte Ruhrgebiet berücksichtigt. Beeindruckend der Unterschied zwischen „Werbeaufnahmen“ der Rüstungsindustrie und der Dokumentation der Arbeitsbedingungen von Frauen und Männern. Bei den Photographien von der Front kann man nicht so richtig erkennen, ob sie arrangiert und damit auch verändert sind oder ob schon Momentaufnahmen dabei sind. Auf jeden Fall ergibt sich eine Divergenz zu den Photographien der Gräberfelder und Denkmäler. Eine weiterer Aspekt ist die sozial engagierte Photographie, die Hunger und Armut in der Nachkriegszeit im Ruhrgebiet dokumentiert. Die eindrucksvollen Kohlebunkeranlagen der Kokerei Zollverein, in denen die Ausstellung auf drei Ebenen präsentiert wird, sind in ihrer Materialität und Monumentalität gleichsam ein Menetekel der Kriegserfahrungen an der Westfront. Das Buch ist gut gestaltet, hat eine übersichtliche und den Themen entsprechende Gliederung und präsentiert die Photographien entsprechen ihrer thematischen Gewichtung. Die Ausstellung ist ein wichtiger Beitrag zu diesem Gedenkjahr 1914 und das Buch für an Photographie Interessierte sehr empfehlenswert, nicht nur im Ruhrgebiet. (DB)
(Ausstellung: Zollverein Essen 30.04. - 26.10.)

 

wulf architekten
Rhythmus und Melodie

248 Seiten, über 200 Abbildungen und Pläne
Niggli Verlag
ISBN 978-3-7212-0900-6; 58 Euro

Geprägt von der Mitarbeit in namhaften Büros wie Gottfried Böhm, Joachim Schürmann, Auer + Weber sowie Behnisch & Partner haben wulf architekten längst ihre eigene Position entwickelt. Diese wird jedoch inspiriert von einer bewussten Offenheit für Neues – beständig hinterfragt. Ihr Aufspüren von Lösungsansätzen, das keine vorgefassten Meinungen kennt, bezeichnen die Architekten als «Identität durch Suche». Und diese Suche meint Bewegung und Veränderung. Einzige, gleichwohl wichtige Konstante ist ihr humanistischer Ansatz: Der klare Bezug zum Menschen als Ausgangspunkt allen Entwerfens. Diese für das Büro zentrale Position findet ihre Entsprechung in der sinnlichen Qualität und der Vielfalt des Gebauten. Anhand von Texten, die wesentliche Statements der drei Büropartner in direkte Beziehung zu realisierten Projekten setzen, vermittelt die Publikation Rhythmus und Melodie einen umfassenden Einblick in die Denk- und Arbeitsweise von wulf architekten. Ganz im Sinne des Titels wird Architektur dabei nicht als isolierte Disziplin verstanden, die sich nur auf sich selbst bezieht, sondern vielmehr als Teil eines vielfältigen kulturellen Kontexts.

 


mod records cologne 1954 - 1956
Aufwendige Kassette mit 5x10“, 6x7“ Schallplatten
und 4 CDs
zuzüglich einem Buch
120 Seiten mit  z.T. unveröffentlichten Photos von Chargesheimer
Limited Edition; 259,- Euro

Mitte der 50er Jahre veranstaltete Gigi Campi (seinen Eltern gehörte das Eiscafé Campi in der Hohen Straße in Köln) Modern-Jazz-Konzerte, und daraus entstand die Idee eines eigenen Labels, MOD Records, dessen Gründung nun genau 60 Jahre her ist. Auf MOD Records, dem ersten unabhängigen Jazz-Label in Europa, erschienen in den folgenden Jahren 10-Inch-Schallplatten und Singles.
Hier nun zum Jubiläum die wohl schönste Jazz-Box, die je produziert wurde: Das Gesamtwerk mit allen 11 MOD Vinyl-Veröffentlichungen als 1: 1 Repliken in den Original-Covern plus die komplette Musik inkl. unveröffentlichter Live-Aufnahmen der MOD-Künstler auf vier CDs.
Dazu ein liebevoll recherchiertes 120-Seiten Hardcover-Buch mit allen erdenklichen Informationen zum Thema, z. B. wunderbare Grafiken oder Alternativ-Entwürfe des bekannten Kölner Grafikers Wolfgang Raquet und unglaubliche Photos des Kult-Photographen Chargesheimer. Und als Bonus ein Nachdruck des legendären Plakates „Mod Records Jazz West Germany“.
Ein faszinierender Blick auf die Stadt Köln und eine wagemutige Elite junger Menschen, die den Grundstein für unsere kulturelle Freiheit in den Jahren des Aufbruchs legten. Für Chargesheimer-Fans eine bibliophile Kostbarkeit in einer sehr aufwendig gestalteten Kassette.

Zu beziehen über: BeGmbh@t-online.de