© Amin El Dib
© Amin El Dib
Eröffnungsdatum
Redner*in
Rolf Sachsse 
Photograph*in
Amin El Dib
Ausstellungsdatum
-
Name der Galerie / Museum / Ausstellungsort
Beschreibung

„Amin El Dib - Artaud Mappen“ ist die zweite Einzelausstellung mit Werken von Amin El Dib in der Sammlung (die erste war „Some Changes Made“ in 2019). Die Ausstellung zeigt die frühen Arbeiten „Artaud Mappen“ (1988–1992) die in Berlin, vor allem in Kreuzberg, entstanden sind. El Dib fotografierte die Aufführungen der freien Theatergruppe „Theater Artaud“ mit Stücken von Artaud, Lautréamont, Pound oder Cendrars. Diese wurden sowohl in Abbruchhäusern oder Katakomben als auch im Künstlerhaus Bethanien, SO36 oder Hamburger Bahnhof aufgeführt.

Artaud entwickelte das „Theater der Grausamkeit“ welches mit der klassischen Literaturvermittlung brach und den Text, Kompositionen mit Klang und Stimme, Tanz und Gebärden gleichstellte. Bühne und Publikum verschmolzen mit dem Ziel, dem Zuschauer eine ganz neue sinnliche Erfahrung zu ermöglichen, gar in Trance zu bringen, Erfahrungen, die von El Dib in seinen Fotografien gespiegelt werden.

Susanne Husemann, Mitbegründerin des „Theater Artaud“ schreibt: „Der Schriftsteller, Schauspieler und Theatertheoretiker Antonin Artaud (1896–1948) war ein wahnsinnig Liebender, der in der Psychiatrie endete, weil seine Gedanken zu absonderlich waren für seine Zeit. Dort verlor er seine Zähne während einer Elektroschock-Therapie, die vor die Füße seines Psychiaters rollten und er sie unbemerkt in die Ecke schoss. Dort gediehen seltene Pflanzen, unter anderem unsere Theatergruppe, die aus Artauds Schreien eine Komposition aus Licht, Stimme und Klang kreierte. Der bekannte Theaterkritiker Joachim Werner Preuß zeigte sich überrascht, dass es möglich war, Artaud überhaupt zu inszenieren, nicht nur seine Schreie, sondern auch das atemberaubende Schöne, die Sehnsucht nach Leben und dem Vermögen, sein Herz zu verschenken; in zarter Theatralik Ja zum Absurden zu sagen und vor allem zur Synchronizität als letztes denkbares Gesetz, wenn man unbedingt Gesetze festhalten möchte.

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Das Theater Artaud wurde gegründet vom französischen Schauspieler Jean-Marie Boivin, der Musikerin Angelika Schindler und der Malerin Susanne Husemann in der Regie.  ... Der Zusammenschluss der Gruppe im Jahr 1986 basierte auf dem Anliegen, Antonin Artauds Stücke und seine theatertheoretische Schrift „Das Theater und sein Double“ (1938) umzusetzen. Artaud ruft die Urkräfte herbei, aus dem Theater entstanden ist, diesem tiefen Bedürfnis nach Heilung und Transformation. Er besinnt sich dabei auf das balinesische Theater und die griechische Tragödie. Wichtig war es für uns, die Sprache des Theaters neu zu entdecken. Alles war Sprache und bekam die gleiche Bedeutung auf der Bühne: die Sprache der Worte, des Klangs, des Lichts, des Raums, der Gegenständ und der Gebärde.“

Amin El Dib hat 7 Mappen geschaffen. Bestehend aus 2 bis 21 Bildern tragen sie den Titel der Theateraufführungen. Sie werden zum ersten Mal komplett gezeigt ergänzt mit den Bildnissen der Protagonisten und Dias die bei den Aufführungen entstanden sind.

Weit entfernt von einer Dokumentation dieser Theaterstücke kreiert El Dib eine höchst persönliche fotografische Arbeit inspiriert von den theoretischen Konzepten Artauds, welche  mit der herkömmlichen Auffassung von Fotografien bricht.

Amin El Dib: „Der Übergang vom Negativ zum Papierabzug scheint mir in der Fototheorie ein eher vernachlässigter Schritt zu sein. Er wird als Automatismus, als handwerkliche Ausführung begriffen und übergangen. Bestenfalls soll es darum gehen, die Bildaussage zu akzentuieren. Im Zentrum theoretischer Überlegungen stehen meist der Übergang vom Sehbaren zum Bild, bzw. Überlegungen zur Lesbarkeit von Fotografien. Beschäftigt man sich intensiver mit dem Übergang vom Negativ zum Papierabzug, werden die unendlichen Manipulations-möglichkeiten des Negativs evident. Dieses Potential zur Bildschöpfung und Gewinnung neuer Wirklichkeit fordert vom Betrachter eine Auseinandersetzung mit den gestaltenden Elementen im fotografischen Bild.“

Amin El Dib

Der Fotograf, 1961 in Kairo geboren, zieht 1966 mit seiner Familie nach Deutschland zurück. Nach seinem Abschluss des Studiums der Architektur in Berlin (1990) widmet er sich ganz der Fotografie. Seit 2001 ist er Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie. Er lebt und arbeitet seit 2003 bei Basel in der Schweiz. Schon sehr früh in seinem umfangreichen Werk setzt er sich mit den Brüchen der menschlichen Existenz und dem Reiz, der in diesen Brüchen liegt, auseinander. Auch wenn El Dib Fotografien in klassisch analogen Abzügen präsentiert, hinterfragen seine Zyklen die klassische Präsentation durch teils gewaltsame Manipu-lationen wie Brennen, Reißen, Heften, Verformen, Verkleben, durch Dekonstruktion und Rekomposition, im Negativ wie im Positiv. Er hinterfragt den fotografischen Prozess auf allen Ebenen der Entstehung.